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Die Wahrheit und andere Lügen

Die Wahrheit und andere Lügen

Titel: Die Wahrheit und andere Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Arango
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Tablet-Computer. Fehlt nur die Minibar, dachte Fasch und hustete einen Klumpen Schleim aus. Sein Bett wurde ans Fenster geschoben, sodass er in den Park sehen konnte, die Eiterabsaugmaschine wurde wieder angeschlossen, und dann ließ man ihn endlich allein. Gisbert Fasch schaute aus dem Fenster und dachte an seine Lebensgefährtin, die schweigsame Miss Wong.

XIV
    D er Kerl ist kein Bulle, konstatierte Henry, als sich die Lifttür hinter ihm schloss. Er ist auch kein Privatdetektiv, sondern ein ganz normaler Mann mit einem Spleen. Ein Amateur. Er musste schon länger hinter ihm her sein. Warum hatte er sich verstellt, so getan, als kennte er ihn nicht? Wäre er nur ein Fan, der auf ungeschickte Weise versucht hatte, seinem Idol nah zu sein, dann hätte er sich spätestens im Krankenzimmer geoutet. Vielleicht wollte er sich auch nur wichtig machen und eine Biographie über ihn schreiben. Denkbar, dass er bei seinen Recherchen auf den Hohlraum in Henrys Vergangenheit gestoßen war und Blut gerochen hatte.
    Wer mich enttarnt, wird zweifellos berühmt, dachte Henry und drückte auf den Knopf zum Erdgeschoss. Während er hinabfuhr, fiel ihm ein, dass Fasch ihn nicht nach der Tasche gefragt hatte. Klar hätte er sich selbst damit verraten, aber er musste sie doch vermissen. All das Zeugs zu sammeln, war mühevoll und zeitaufwendig gewesen, hatte Geld gekostet, ihm musste sehr viel daran liegen, sie zurückzubekommen.
    Soviel stand für Henry fest: der Kerl war seinem Geheimnis gefährlich nahe gekommen, wollte ihm schaden, wusste aber noch nicht, wie. Jetzt hat er ein Problem, denn er steht in meiner Schuld, vielleicht wird er niemals mehr laufen können, dachte Henry nicht ohne Mitgefühl. Dennoch, Henry musste ihm zuvorkommen, musste herausfinden, was sein Plan war. Das konnte nicht sonderlich schwer sein, denn wer Spuren sucht, hinterlässt immer eigene Spuren dabei. Ganz tief drinnen fühlte Henry, dass er Fasch schon einmal begegnet war. Irgendwann und irgendwo.
    Er spazierte durch den kleinen Park vor der Klinik zu den Parkplätzen. Es war heiß, zwischen den Linden schwebten Blütenflocken, ein Gärtner mähte den Rasen, ein Rasensprenger durchnässte eine verwehte Zeitung. Auf Bänken saßen Menschen in Bademänteln, eine kahle Frau auf Krücken wurde von ihrer Familie begleitet, deutlich chemotherapiert und froh, noch am Leben zu sein. Man darf gratulieren, dachte Henry gerührt.
    Henry blieb stehen und wandte sich um. Sein Blick stieg an der Fassade empor bis in die dritte Etage zu dem offenen Fenster. Fasch winkte ihm von seinem Bett aus zu. Henry winkte zurück. Schweigen kann man erkaufen, Sympathie nicht. Keiner wusste das besser als Henry.
    Er brachte den Maserati zu »Auto-Wäsche Royal«, um das geronnene Blut von den Sitzen entfernen zu lassen. Eine Kolonne von Putzern mit albernen Papierhütchen stürzte sich auf den Wagen. Dem misstrauischen Juniorchef erklärte Henry, ihm sei ein Reh auf dem Rücksitz ausgelaufen.
    Während die Putzerfische mit der Arbeit begannen, schlenderte Henry aus purer Neugier ins nahe gelegene Parkhaus, wo er den Mülleimer neben dem Ticketautomaten nach dem roten Telefon durchwühlte. Die Kamera schräg über ihm ignorierte er, schließlich tat er nichts Ungesetzliches. Natürlich war das Telefon längst verschwunden, zerschreddert oder in Afrika.
    Nach einer Stunde war der Wagen blitzsauber, und der Innenraum roch wieder nach Leder. Der Juniorchef kam aus seinem Glaskabäuschen gerannt, in dem schon sein Vater vierzig Jahre lang gesessen hatte. Ihm missfiel, dass Henry reichlich Trinkgelder an die Putzsklaven verteilte, aber er konnte es nicht verhindern. Henry sah die Hosenträger, die sich vor seinem Bauch spannten.
    Â»Herr Hayden«, raunte er in respektvoll leisem Ton, »ich hab Sie nicht gleich erkannt, aber da liegt Ihr Buch im Kofferraum. Meine Frau ist ein großer Fan von Ihnen, und ich wollte Sie fragen …«
    Â»Wollen Sie ein Autogramm?«
    Â»Meine Frau würde sich sehr freuen, ich natürlich auch.«
    Henry nahm das Buch aus dem Kofferraum, ließ die Seiten prüfend über den Daumen laufen. »Es ist nicht mehr ganz neu, aber wenn Sie wollen, signiere ich’s Ihnen. Ist Ihnen der Name ›Auto-Wäsche Royal‹ eingefallen?«
    Der Juniorchef hatte schon einen Stift zur Hand. »O nein, das war mein Vater.« Er schaute

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