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Die Wahrheit und andere Lügen

Die Wahrheit und andere Lügen

Titel: Die Wahrheit und andere Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Arango
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zurück. Piep!
    â€¦ Herr Fasch, hier Eisendraht vom Verlagshaus Moreany. Wir hatten Ihnen bereits geschrieben, dass wir keine privaten Auskünfte zur Vita von Herrn Hayden geben. Ferner muss ich Sie darauf hinweisen, dass eine nicht autorisierte Biographie über Herrn Hayden juristische Konsequenzen für Sie haben kann. Ich bitte Sie, keine weiteren schriftlichen Anfragen in dieser Sache an uns zu richten. Ihnen einen guten Tag.
    Das Ende dieser Nachricht hörte Henry nur doch undeutlich. Er war zurück ins Schlafzimmer gestiegen und hatte den Lockenstab in der Plastikvulva der Puppe eingeschaltet. Geräuschlos verließ er die Wohnung. Niemand sah ihn wegfahren.
    Der schwarze Qualm alarmierte die Nachbarn. Er stieg durch das geplatzte Schlafzimmerfenster an der Fassade hoch. Wenig später barsten die Fenster im Wohnzimmer. Die Feuer wehr kam mit drei großen Einsatzwagen und löschte das Feuer mit Schaum. Besorgte Hausbewohner brachten ihre Kinder, Tiere und wertvollsten Habseligkeiten in Sicherheit und begleiteten den Verlauf der Löscharbeiten mit stummen Gebeten. Hinter der Absperrung filmte eine Anzahl Schaulustiger die Arbeit der Feuerwehr mit ihren Telefonen. Einige der Filme tauchten noch am selben Tag bei YouTube auf. Die meisten Klicks erhielt übrigens eine dreizehnjährige Gymnasiastin, welche die Bergung zweier verbrannter Katzen aus dem zweiten Stock filmte und sie mit selbst komponierter Musik unterlegte. Nachdem die Dämpfe sich verzogen hatten und das Haus auf seine Statik überprüft worden war, kehrte die Mehrzahl der Bewohner wieder in ihre Wohnungen zurück. Es begannen Brandschutzexperten mit ihrer Arbeit in der verkohlten Wohnung. Sie stießen dabei auf die Über reste einer geschmolzenen Silikonpuppe, der Fuß war noch erhalten und gehörte dem Modell »Miss Wong«. Ihre Reste wurden geborgen, die kriminaltechnische Untersuchung der Brandursache zog sich wie üblich in die Länge.
    * * *
    Der freundliche Herr von der Versicherung wartete geduldig, während Betty den Autoschlüssel suchte. Sie war in Holzlatschen und Bademantel an die Tür gegangen, weil sie annahm, der Kurierdienst würde Manuskripte zum Lektorat bringen. Der Mann wartete im Hausflur. Er hatte seine Tasche abgestellt und die Hände vor dem Bauch gefaltet. Er genoss solch kontemplative Momente.
    Betty war klar, dass sie keinen Schlüssel finden würde, weil er ja in ihrem Subaru auf dem Grund des Meeres rostete. Seit Langem schon war sie den Subaru mit dem Zweitschlüssel gefahren, weil der Originalschlüssel irgendwann verloren gegangen war. Dennoch wühlte sie in der Schublade ihres Schreibtisches, schob sie hörbar auf und zu.
    Â»Ich kann den Schlüssel grad nicht finden«, erklärte sie verlegen, als sie dem freundlichen Herrn an der Tür die Autopapiere überreichte. »Ist das schlimm?«
    Â»Den Zweitschüssel auch nicht?«
    Â»Den? Hab ich schon vor Jahren verloren.«
    Â»Das ist schlecht«, bedauerte der Versicherungsexperte, »weil wir ohne Fahrzeugschlüssel nicht für den Verlust haften können.«
    Â»Das macht nichts«, entfuhr es Betty viel zu schnell, »ich hab das ja nicht gemeldet, weil ich von Ihnen Geld will.«
    Â»Sondern?«, fragte er sichtlich überrascht.
    Â»Na, weil ich dachte, das muss man machen, wenn einem der Wagen gestohlen wird. Ist das nicht so?«
    Â»Nein. Sie müssen den Wagen nur abmelden, weil Sie ihn ja nicht mehr fahren oder veräußert haben.«
    Â»Ich hab ihn nicht verkauft!«, protestierte sie und wurde sogleich wieder leiser. »Er wurde mir geklaut.«
    Â»Deshalb …«, er bückte sich elastisch, um seine Tasche zu öffnen, »ist Ihr Fahrzeug ja auch in der Fahndung. Es wird europaweit nach ihm gesucht.« Er zog seine Unterlagen und einen Fragebogen heraus, schob die Papiere des Subaru behutsam in einen transparenten Umschlag und ließ ihn in seiner Tasche verschwinden. Dann leckte er sich den Zeigefinger, blätterte den Fragebogen auf, hatte unerklärlich schnell einen Kugelschreiber zur Hand und drückte den Pinökel herunter.
    Â»So. Wo wurde Ihr Fahrzeug denn gestohlen?«
    Â»Vor meiner Haustür.« Betty versuchte freundlich zu bleiben. »Hören Sie, ich hab keine Zeit, ich muss gleich zur Arbeit fahren.«
    Â»In welchem Auto?«
    Der Kerl wurde immer impertinenter. »Ich fahre gerade einen

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