Die Wahrheit
Chandler mit einem breiten Lächeln, »ich hoffe, Ihre Fahrt nach Richmond ist angenehm und ohne Zwischenfälle verlaufen.«
»Sagen wir mal so: Sie war interessant«, erwiderte sie rasch.
»John, ich muß mit Ihnen sprechen.«
»Können wir uns später unterhalten, Buford?«
»Ich brenne darauf, Ihre Theorie zu erfahren.«
Als Sara und Fiske davongingen, verblich Chandlers Lächeln. Er fragte sich, ob er gerade seinen >inoffiziellen< Partner an Sara Evans verloren hatte.
Ein paar Minuten, nachdem Sara ihr Büro verlassen hatte, schaute Richterin Knight bei ihr vorbei. Sie wollte Sara soeben eine Notiz schreiben, als sie die Vorlage zum Fall Chance mit Wrights daran befestigtem Vermerk sah. Sie setzte sich auf Saras Stuhl und las die Mitteilung. Als sie zu Ende gelesen hatte, dämmerte ihr plötzlich, was passiert war. Sie hatte Wright angewiesen, Überstunden zu machen, notfalls die ganze Nacht durchzuarbeiten. Er hatte das Memo fertiggestellt, das Gebäude erst spät verlassen, und jemand hatte ihn umgebracht. Ihre kostbare Vorlage. Über diese Ereigniskette hatte sie noch gar nicht nachgedacht. Plötzlich wurde ihr die Kehle eng, und das Atmen fiel ihr so schwer, daß sie zu ersticken glaubte. Sie ließ die Vorlage zu Boden fallen und stürmte aus dem Raum.
Einige Minuten später eilte Elizabeth Knight an ihren erstaunten Mitarbeitern vorbei und schloß sich in ihrem Büro ein. Sie schaute sich in dem geräumigen, wunderschönen Zimmer um, das sogar über einen Kamin verfügte. Hier hatte sie gesessen und ihre kleinen Strategien ausgearbeitet, über ihre Lebensphilosophie nachgedacht. Und das hatte einen jungen Mann das Leben gekostet. Sie trat ihre Pumps von den Füßen, brach in einer Ecke des Zimmers zusammen, schlug die Hände vors Gesicht und weinte.
KAPITEL 38
In ihrem Büro verbrachte Sara die nächste halbe Stunde damit, Fiske alles mitzuteilen, was sie herausgefunden hatte. »Wenn Barker zurückruft und uns den Namen des Anwalts nennt, können wir mit ihm sprechen und kommen vielleicht endlich ein Stück weiter.«
»Das wäre zu schön.«
»Glauben Sie, daß Michael diesen Harms im Gefängnis besucht hat?«
»Die Flucht dieses Burschen macht die Sache verflixt kompliziert.«
Sara kam plötzlich ein beängstigender Gedanke. »Sie glauben doch nicht, daß Michael irgend etwas damit zu tun hatte, oder?«
»Mein Bruder würde sich niemals an einer ungesetzlichen Tat beteiligen.«
»Nicht absichtlich, das habe ich nicht gemeint.«
»Den Zeitungsmeldungen zufolge ist Harms aus einem Krankenhaus in Roanoke geflohen, nachdem man Michaels Leiche gefunden hat. Aber ich will gar nicht behaupten, daß der Zeitpunkt rein zufällig ist.«
»Haben Sie irgendwelche brillanten Schlußfolgerungen?«
»Ich glaube, ich weiß, warum Wright ermordet wurde.«
»Warum? Weil er von Harms wußte? Weil er mitbekommen hat, was Michael getan hat?«
»Nein, er wurde umgebracht, weil er etwas gesehen hat. Etwas, das er nicht sehen sollte.«
Sara zog ihren Stuhl näher an den seinen heran. »Was meinen Sie damit?«
»Wrights Büro - Ihr ehemaliges Büro - liegt Michaels Büro genau gegenüber. Wright wollte die ganze Nacht durcharbeiten.«
Sara sank auf ihrem Stuhl zusammen. »Richtig. Weil ich es ihm gesagt habe.«
»Nein, weil Elizabeth Knight Sie angewiesen hat, Wright zu sagen, daß er notfalls durcharbeiten muß. Nun ja, seine Leiche wurde in einem Park gefunden, der nicht auf seinem Nachhauseweg liegt. Chandler hat mir gesagt, daß Wright zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens getötet wurde. Wenn er die ganze Nacht hier durcharbeiten wollte . was hatte er dann in diesem Park zu suchen?«
»Sie glauben, jemand hat ihn dorthin verschleppt und ermordet?«
»Genauer gesagt, jemand hat ihn aus diesem Gebäude in den Park gebracht und dort erschossen.«
Sara schnappte nach Luft. »Das heißt, der Mörder war hier?«
Fiske nickte. »Ich weiß nicht, ob er hier arbeitet, aber ich vermute, daß er gestern am späten Abend hier gewesen ist.«
»Was könnte Steven gesehen haben? Was hat ihn das Leben gekostet?«
»Ich glaube, er hat jemanden in Mikes Büro gehen sehen. Gestern. Wright hat gehört, wie Chandler gesagt hat, niemand dürfe das Büro betreten. Wer auch immer in Mikes Büro ging, er hat vielleicht nicht gewußt, daß Wright in seinem Büro war. Ich nehme an, Sie hängen es nicht an die große Glocke, wenn Sie Überstunden machen.«
»Manchmal erfahren wir erst in letzter Minute, daß wir länger
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