Die Wahrheit
schief, wie es nur schiefgehen konnte. Auf jeden Fall kam Josh zu mir und hat mich gefragt, ob ich was tun könnte. Sie wissen schon, die Macht der Presse. Aber ich konnte gar nichts tun.«
»Kam es für Sie überraschend, daß Rufus das Mädchen getötet hat? Ich meine ... wissen Sie, ob er jemals gewalttätig war?«
»Soweit ich weiß, hat er nie auch nur ’ner Fliege was zuleide getan. Ein richtiger sanfter Riese. Als ich das mit dem kleinen Mädchen hörte, konnte ich es nicht fassen. Na ja, wäre es Josh gewesen, hätte ich nicht mal geblinzelt, aber Rufus? Niemals. Aber die Beweise waren ja wohl so eindeutig, daß sie eindeutiger nicht sein konnten.«
»Ist Josh in Ihrer Stadt geblieben?«
»Na ja, das führt mich zu einem besonders unangenehmen Teil der Geschichte dieser Stadt.«
»Inwiefern?«
»Ich möcht’s lieber nicht erzählen.«
»Auch nicht ganz inoffiziell?«
»Wirklich?« Barkers Stimme klang mißtrauisch.
»Ich verspreche es Ihnen. Ich werde Sie nicht zitieren. Es bleibt unter uns.«
»Sie müssen wissen, daß ich gerade auf Tonband aufgenommen habe, was Sie gesagt haben. Sollte ich also in irgendeiner Zeitung lesen, was ich Ihnen jetzt sage, werde ich Sie und Ihr Blatt bis auf den letzten Cent verklagen«, sagte er streng. »Ich bin Journalist. Ich weiß, wie so was läuft.«
»Mr. Barker, ich verspreche Ihnen, was Sie mir jetzt sagen, wird in keinem Artikel erscheinen.«
»Na schön. Außerdem ist mittlerweile so viel Zeit vergangen, daß es sowieso keine Rolle mehr spielt - zumindest in rechtlicher Hinsicht. Aber man kann nie vorsichtig genug sein.« Er räusperte sich. »Na ja, was Rufus getan hatte, sprach sich schnell in der Stadt herum. War ja nicht zu vermeiden. Ein paar Jungs haben sich einen angetrunken, sich zusammengetan und beschlossen, was zu unternehmen. An Rufus kamen sie nicht ran, er war im Gewahrsam der Armee. Aber da waren ja noch die anderen Harms, die hier in der Stadt wohnten.«
»Und was haben diese ... Jungs unternommen?«
»Tja, sie haben Mrs. Harms das Haus über dem Kopf angezündet.«
»Großer Gott! War sie etwa noch darin?«
»Ja, bis Josh sie rausholte. Und ich will Ihnen was sagen. Josh hat sich diese Jungs geschnappt. Er hat sie buchstäblich durch die Straßen der Stadt gejagt, rauf und runter. Ich hab’s von meinem Büro aus sehen können. Es müssen zehn Mann gewesen sein, gegen Josh allein, aber er hat die Hälfte von ihnen krankenhausreif geschlagen, bis die anderen ihn dann ganz, ganz übel zusammengedroschen haben. So was hatte ich nie zuvor gesehen. Und ich hoffe, daß ich es nie wieder sehen muß.«
»Das hört sich ja fast nach einem Aufruhr an. Ist die Polizei denn nicht gekommen?«
Barker hüstelte peinlich berührt. »Na ja, es wurde gemunkelt, daß ein paar der Jungs, die dabei mitgemacht haben ... Sie wissen schon, die das Haus niedergebrannt haben .«
»Bei der Polizei waren«, beendete Sara den Satz für ihn.
Barker schwieg.
»Hoffentlich hat Josh Harms die ganze Stadt bis auf den letzten Heller verklagt«, sagte sie.
»Nun ja, in Wirklichkeit haben sie ihn verklagt. Ich meine, die Jungs, die er halbtot geschlagen hat. Josh konnte ihnen wegen des Feuers nichts beweisen. Ich meine, ich hatte so eine Ahnung, aber das war auch schon alles. Und die Polizei hat in ihrem Bericht dann von Widerstand gegen die Staatsgewalt und so weiter geschrieben. Es waren zehn Aussagen gegen eine ... und die war auch noch von ’nem Farbigen. Tja, langer Rede kurzer Sinn, Josh kam für ’ne Weile ins Gefängnis, und man hat ihm und seiner Momma alles weggenommen, was sie besaßen, so wenig es auch war. Kurz darauf ist sie gestorben. Was ihren beiden Jungs zugestoßen ist, war wohl zuviel für sie.«
Sara mußte sich zusammenreißen, um den Mann nicht anzuschreien.
»Mr. Barker, das ist die widerwärtigste Geschichte, die ich je gehört habe«, sagte sie. »Ich weiß nicht viel über Ihre Stadt, aber ich danke Gott, daß niemand dort wohnt, an dem mir etwas liegt.«
»Die Stadt hat auch ihre guten Seiten.«
»Ach ja? Zum Beispiel, einen Kriegshelden auf diese Weise willkommen zu heißen?«
»Ich weiß. Ich habe auch darüber nachgedacht. Man kämpft für sein Land, es wird auf einen geschossen, und dann kommt man nach Hause, und so was passiert. Wahrscheinlich fragt man sich dann, wofür, verdammt noch mal, man gekämpft hat.«
»Sie hören sich an, als würden Sie die Wahrheit kennen. Haben Sie bei dieser Gelegenheit die Macht der Presse
Weitere Kostenlose Bücher