Die Wahrheit
besucht.« Rufus schlug mit der Faust aufs Armaturenbrett. »Hätte Gott mich doch niedergestreckt, bevor ich diesem kleinen Mädchen begegnete. Warum mußte es ein Kind sein? Warum?« Tränen strömten über Rufus’ Gesicht.
»Es war nicht Ihre Schuld, Rufus. PCP kann einen zu allem bringen, zu allem. Es war nicht Ihre Schuld!«
Rufus riß die Hände hoch. »Die hier waren es«, rief er.
»Ganz gleich, was für eine Scheiße sie in mich hineingepumpt haben, es ändert nichts daran, daß ich dieses wunderschöne kleine Mädchen getötet habe. Und nichts auf dieser Welt kann das ungeschehen machen. Oder? Oder?« Rufus funkelte Fiske zornig an; dann aber schloß er die Augen, sank zurück und blieb regungslos sitzen, wie tot.
Fiske versuchte, ruhig zu bleiben. »Und bis Sie den Brief bekamen, haben Sie sich an nichts erinnert?«
Allmählich fing Rufus sich wieder. »Verdammt, all diese Jahre habe ich mich nur daran erinnert, daß ich an diesem Abend im Bau saß und die Bibel gelesen habe, die meine Momma mir gegeben hat. Dann weiß ich nur noch, daß ich neben diesem toten kleinen Mädchen kniete. Das war alles.« Er wischte sich mit dem Ärmel die Tränen ab.
»Auch so etwas kann PCP bewirken. Es nimmt einem das Gedächtnis. Der Schock hat wahrscheinlich auch eine Rolle gespielt.«
Rufus atmete tief ein. »Manchmal glaube ich, diese Scheiße ist noch in mir.«
»Aber Sie haben sich trotzdem des Mordes schuldig bekannt?«
»Es gab jede Menge Zeugen. Samuel Rider hat gesagt, wenn ich mich nicht auf den Kuhhandel einlasse, werden sie mich verurteilen und hinrichten. Verdammt noch mal, was sollte ich denn tun?«
Fiske dachte kurz darüber nach. »Ich hätte wahrscheinlich dasselbe getan«, sagte er dann.
»Aber als ich dann diesen Brief bekam, da war’s so, als würde in meinem Kopf ein Licht angehen, und irgendein Teil von meinem Gehirn, der die ganze Zeit dunkel gewesen war, wurde plötzlich ganz hell, und alles fiel mir wieder ein. Jede verdammte Kleinigkeit.«
»Und dann haben Sie den Brief an das Gericht geschrieben und Rider gebeten, den Antrag für Sie einzureichen?«
Rufus nickte. »Und dann hat Ihr Bruder mich besucht. Er hat gesagt, daß er an die Gerechtigkeit glaubt und mir helfen will, falls ich die Wahrheit sage. Er war ein guter Mensch.«
»Ja, das war er«, sagte Fiske heiser.
»Aber er hatte meinen Brief mitgebracht. Rayfield und der alte Vic würden ihn nicht gehen lassen. Auf keinen Fall. Als ich es herausfand, bin ich durchgedreht. Sie brachten mich auf die Krankenstation und haben versucht, mich da umzubringen. Dann kam ich ins Krankenhaus, und Josh hat mich da rausgeholt.«
»Sie haben gesagt, Tremaine und Rayfield wären tot.«
Rufus nickte. Er atmete noch einmal tief ein, beobachtete, wie der Regen über die dunkle Skyline von Richmond fiel, und schaute dann Fiske an. »Jetzt wissen Sie alles, was ich weiß. Was werden wir jetzt tun?«
»Ich weiß es noch nicht genau.« Mehr fiel Fiske nicht dazu ein.
KAPITEL 56
Chuck Herman lächelte, als er im Mittelgang des Flugzeugs an Sara vorüberkam. »Das ist das erste Mal, daß man mich dafür bezahlt, nicht zu fliegen.«
»Wir sind in Washington, Chuck«, erwiderte Sara trocken. »Hier bezahlt man Bauern dafür, kein Getreide anzubauen.«
Sie griff zum zehntenmal nach dem Handy und wählte Phil Jansens Privatnummer. Sara hatte bei seiner Behörde angerufen und erfahren, daß Jansen bereits nach Hause gegangen war. Mit großer Erleichterung hörte sie nun, wie er abhob. Sie stellte sich rasch vor und erklärte, was sie mit Fiske zu schaffen hatte.
»Ich habe nicht viel Zeit, Mr. Jansen, also möchte ich gleich zur Sache kommen. Hat die Army früher Versuche mit PCP durchgeführt?«
Jansens Stimme klang plötzlich verkniffen. »Warum genau wollen Sie das wissen, Miss Evans?«
»John glaubt, daß man Rufus Harms gegen seinen Willen PCP verabreicht hat, als er vor fünfundzwanzig Jahren in Fort Plessy einsaß. John geht davon aus, daß Harms unter dem Einfluß von PCP durchgedreht ist und ein kleines Mädchen getötet hat. Seitdem sitzt er wegen dieses Verbrechens im Gefängnis.«
Sara faßte alles zusammen, was sie und Fiske erfahren hatten, auch das, was Rufus ihnen in Riders Kanzlei erzählt hatte. »Rufus Harms hat vor kurzem einen Brief von der Army bekommen«, fuhr sie fort, »in dem er gebeten wurde, an einer Nachuntersuchung teilzunehmen, bei der man feststellen wollte, welche Langzeitwirkung PCP hat. So ist es doch auch
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