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Die Wahrheit

Die Wahrheit

Titel: Die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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für ein einprägsames juristisches Motto vorgesehen hatte.
    Ironischerweise hatte der Kongreß die Mittel zum Bau des majestätischen, dreistöckigen Gebäudes 1929 bewilligt, im Jahr des Schwarzen Freitags, als die Börsenkurse einbrachen und die Weltwirtschaftskrise begann. Nahezu ein Drittel der Baukosten - neun Millionen Dollar - waren für Marmor aufgewendet worden: Reiner Vermont, herangekarrt mit einem Heer von Güterwagen, bildete die Fassade des Gebäudes. Die vier Innenhöfe bestanden aus kristallinem Stein aus Georgia, die Böden und Wände des Gebäudeinnern hingegen aus dem milchigen Marmor von Alabama. Nur in der Großen Halle war der Boden mit dunklem italienischem und afrikanischem Marmor ausgelegt. Auch die Steinsäulen in der Großen Halle waren aus Marmorblöcken zusammengefügt: italienischer Montarrenti, der nach Knoxville in Tennessee verschifft worden war. Dort hatten ganz normale Menschen die Blöcke im Schweiße ihres Angesichts zu den fast zehn Meter hohen Säulen zusammengefügt, welche nun jenes Gebäude trugen, das seit 1935 die berufliche Heimat von neun Männern war - und seit 1981 stets zumindest einer Frau. Es waren neun Personen, von denen jede Außergewöhnliches geleistet hatte. Die Bewunderer des Gebäudes bezeichneten es als prachtvolles Beispiel für den korinthischen Stil der klassisch-griechischen Architektur. Seine Gegner erklärten, es sei eher ein Palast für die aberwitzigen Vergnügungen von Königen als ein Ort, an dem vernünftig Recht gesprochen wurde.
    Und doch war dieses Gericht seit den Zeiten eines John Marshall der Verteidiger und das Sprachrohr der Verfassung. Die neun Richter, die hier Recht sprachen, konnten einen Erlaß des Kongresses für verfassungswidrig erklären. Sie konnten einen amtierenden Präsidenten zwingen, Tonbänder und Dokumente freizugeben, die schlußendlich zu seinem unrühmlichen Rücktritt führten. Neben der Legislative - dem Kongreß - und der Exekutive - dem Präsidenten - hatten die Gründerväter die Jurisdiktion als dritte und gleichberechtigte Säule der Regierung errichtet. Und deren höchste Instanz war der Oberste Gerichtshof, die vielleicht stärkste Säule der Macht, denn seine Entscheidungen zu den verschiedensten bedeutsamen Fragen verliehen dem Willen des amerikanischen Volkes gesetzliche Form und Gestalt.
    Der ältere Mann, der durch die Große Halle ging, setzte diese ehrbare Tradition fort. Er war groß und knochig und besaß hellbraune Augen, die keine Brille benötigten. Seine Sehkraft war noch ausgezeichnet, obwohl er jahrzehntelang Kleingedrucktes gelesen hatte. Sein Haar war fast völlig gelichtet; die Schultern waren im Lauf der Jahre schmal und gekrümmt geworden, und er hinkte leicht. Dennoch verbreitete Chief Justice Harold Ramsey, der Oberste Richter, knisternde Energie. Sogar seine Schritte wirkten entschlossen und voller Unrast. Und Ramsey besaß einen beispiellosen Intellekt, der jede körperliche Benachteiligung mehr als nur wettmachte.
    Er war der hochrangigste Jurist des Landes, und dies hier war sein Gerichtshof, sein Gebäude. »Ramsey-Court« nannten die Medien es schon seit geraumer Zeit, so wie es zuvor »Warren- Court« geheißen hatte und anders: Es hatte die Namen sämtlicher Vorgänger Ramseys getragen - seine Erblast für alle Zeit. Ramsey führte sein Gericht straff und mit harter Hand und versuchte seit nunmehr zehn Jahren, eine beständige Mehrheit der anderen Richter um sich zu scharen. Er mochte die Mauschelei, die hinter den geschlossenen Türen des Gerichts betrieben wurde. Hier und da gab er ein genau überlegtes Wort oder eine kurze Bemerkung von sich, und in der einen oder anderen unbedeutenden Sache gab er nach, um später eine Gefälligkeit einfordern zu können. Geduldig wartete er darauf, daß der richtige Fall kam, der ihm als Mittel zur Veränderung dienen konnte, mitunter auf eine Weise, mit der seine Kollegen nie gerechnet hätten. Ramsey war besessen davon, die fünf Stimmen zusammenzubekommen, die für eine Mehrheit erforderlich waren.
    Er war als beigeordneter Richter zum Obersten Gerichtshof gekommen und vor zehn Jahren in das höchste Amt aufgestiegen. Anfangs war Ramsey auf dem Papier lediglich der Erste unter Gleichen gewesen, doch in Wahrheit war er mehr als der primus inter pares. Ramsey war ein Mann mit festgefügten Ansichten und einer ganz persönlichen Philosophie. Es war sein Glück, daß man ihn zu einer Zeit für den Obersten Gerichtshof nominiert hatte, als der

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