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Die Wahrheit

Die Wahrheit

Titel: Die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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Auswahlprozeß noch nichts mit politischen Spitzfindigkeiten zu tun hatte, wie es heutzutage der Fall war. Damals wurden noch keine lästigen Fragen über die Ansichten des Kandidaten über spezifische rechtliche Themen wie zum Beispiel Abtreibung, Todesstrafe und positive Diskriminierung gestellt - Fragen, die den heutzutage hochgradig politisierten Vorgang behinderten, Richter am Supreme Court zu werden. Wenn man damals, vor zehn Jahren, vom Präsidenten nominiert wurde, über die erforderliche juristische Qualifikation verfügte und keine besonders schlimmen Leichen im Keller liegen hatte, war man drin.
    Der Senat hatte Ramsey einstimmig bestätigt; er hatte kaum eine Wahl gehabt: Ramsey war Spitzenklasse - von seiner Ausbildung bis hin zu seiner anwaltlichen Tätigkeit. Er besaß zahlreiche akademische Titel, allesamt von Eliteuniversitäten, und stets hatte er zu den besten seines Jahrgangs gezählt. Nach der Anwaltstätigkeit folgte ein mit Auszeichnungen bedachtes Zwischenspiel als Juraprofessor, wobei Ramsey außergewöhnliche und weitreichende Thesen verfocht, welche Richtung die Gesetzgebung und demzufolge auch die Menschheit einschlagen sollte. Anschließend war er für das Bundesberufungsgericht vorgeschlagen worden und rasch zum Vorsitzenden Richter seines Bezirks aufgestiegen. Während seiner Amtszeit am Berufungsgericht hatte der Supreme Court keine einzige der Mehrheitsentscheidungen Ramseys aufgehoben. Im Lauf der Jahre hatte Ramsey das geeignete Netzwerk an Verbindungen aufgebaut und alles Notwendige getan, um das Amt zu erlangen, das er nun innehatte und eifersüchtig hütete.
    Er hatte sich dieses Amt verdient. Nie war ihm etwas geschenkt worden - was mit einer seiner unumstößlichen Ansichten im Einklang stand: Wenn man in den USA hart arbeitete, hatte man Erfolg. Niemand hatte ein Recht auf Almosen, weder die Armen, noch die Reichen, noch die Mittelschicht. Die Vereinigten Staaten waren das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, doch um diese Möglichkeiten auszuschöpfen, mußte man schuften und schwitzen und Opfer bringen. Für die Ausreden jener, die es zu nichts brachten, hatte Ramsey kein Ohr. Er war in abgrundtiefer Armut aufgewachsen, der Vater ein schlagwütiger Alkoholiker, die Mutter eine gebrochene Frau, die keine Zuflucht bot und deren mütterliche Gefühle vom Vater zertreten und zerschlagen worden waren. Kein vielversprechender Start ins Leben. Und wo stand er jetzt? Wenn er unter solchen Umständen nicht nur überleben, sondern es zu etwas bringen konnte, dann konnten es auch andere. Schafften sie es nicht, war es ihre Schuld. Etwas anderes ließ Ramsey sich nicht einreden.
    Er stieß ein zufriedenes Seufzen aus. Soeben hatte eine neue Sitzungsperiode des Gerichts begonnen. Alles lief reibungslos. Doch es gab einen Haken. Eine Kette war nur so stark wie ihr schwächstes Glied, und damit mußte Ramsey sich nun befassen. Mit seinem potentiellen Waterloo. Zur Zeit lief alles ausgezeichnet - aber was würde in fünf Jahren sein? Mit solchen Problemen befaßte man sich besser frühzeitig, bevor sie einem aus der Hand glitten.
    Er wußte, er würde demnächst mit Elizabeth Knight aneinandergeraten. Sie war genauso intelligent wie er und vielleicht auch genauso hart. Ramsey hatte es von dem Tag an gewußt, als ihre Ernennung bestätigt worden war. Eine Frau, die frisches Blut in einen Gerichtshof voller älterer Herren brachte. Ramsey hatte Elizabeth Knight vom ersten Tag an bearbeitet. Er fragte sie um ihre Meinung, wenn er glaubte, ihre Haltung sei neutral - in der Hoffnung, daß die Verantwortung, eine Entscheidung treffen zu müssen, die eine Mehrheit herbeiführte, Elizabeth Knight in sein Lager ziehen würde. Er hatte versucht, sie unter seine Fittiche zu nehmen, sie in die Feinheiten des Gerichtsalltags einzuweihen. Doch sie hatte eine sehr starrköpfige, unabhängige Ader an den Tag gelegt. Ramsey hatte erlebt, wie andere Oberste Richter selbstgefällig wurden, sorglos - mit der Folge, daß ihr Führungsanspruch von anderen herausgefordert wurde, die energischer waren. Ramsey war entschlossen, sich niemals in diese Versager einzureihen.
    »Murphy macht sich Sorgen um den Fall Chance«, sagte Michael Fiske zu Sara Evans. Sie waren in ihrem Büro im ersten Stock des Gerichtsgebäudes. Michael war eins fünfundachtzig groß und stattlich und besaß die geschmeidigen Proportionen des Sportlers, der er früher gewesen war. Die meisten Assessoren - wissenschaftliche Mitarbeiter mit der

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