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Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Titel: Die Wall Street ist auch nur eine Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Rogers
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Menschen in den USA, dem einen reichen und mächtigen Land, hatten noch nicht angefangen, im Ausland nach Anlagechancen zu suchen. Diese beschränkte Sichtweise hatte mehrere Ursachen, aber nichts schreckte wirksamer von solchen Investitionen ab als die Devisenkontrollen, die es damals auch in den USA gab.
    1962, als die deutsche Wirtschaft wuchs, Japan autarker wurde und die wirtschaftliche Lage in anderen Ländern sich besserte, verließen viele Dollars die USA. Wir importierten immer mehr Güter aus dem Ausland, und plötzlich gab es ein Problem mit der Handelsbilanz. Daher sah sich der Kongress 1963 in seiner (fehlenden) Weisheit veranlasst, so etwas wie das Zins­ausgleichsgesetz zu verabschieden, eine 15-prozentige Steuer auf jedes Investment von Einwohnern der USA im Ausland. Wenn man für 100 Dollar Aktien von Volkswagen kaufte, zahlte man 100 Dollar für die Aktien und 15 Dollar an den amerikanischen Fiskus. Die Steuer sollte Investitionen im Ausland weniger attraktiv machen. Und sie schaffte das auch. Trotz der Chancen investierten nicht viele Leute im Ausland. Der Rest der Welt boomte – auf Kosten Amerikas.
    Seit meiner Zeit in Oxford interessierte ich mich für Auslandsinvestitionen. Damals begann ich mitzukriegen, was im Rest der Welt vor sich ging. Als ich 1968 die Armee verließ, redete ich über Dinge wie Investitionen in die Dänische Krone, und die Leute um mich herum hatten keine Ahnung, was ich überhaupt damit meinte. Alle diese intelligenten, erfahrenen älteren Herren trugen einfach Scheuklappen. Es sah so aus, als wüssten sie nicht, wo Dänemark lag und schon gar nicht, dass dort Chancen existierten. An der Wall Street gab es nur zwei kleine Firmen, die sich auf Auslandsinvestitionen spezialisiert hatten und Arnhold and S. Bleichroeder war eine davon. (Die andere war Carl Marks & Co.)
    Ich erhielt eine Anstellung bei Bleichroeder, um mit George Soros zusammenzuarbeiten, einem Vizepräsidenten der Firma. Er hatte nach einem klugen jungen Mann gesucht, ich nach einem neuen Job. Jemand stellte uns einander vor und wir verstanden uns von Anfang an gut. Er hatte die gleiche internationale Perspektive wie ich. Soros war etwa zwölf Jahre älter als ich, in Ungarn aufgewachsen, hatte bis Mitte 20 im Vereinigten Königreich gelebt und viel Erfahrung mit internationalen Investitionen gesammelt. Wir passten also gut zusammen. Bei Bleichroeder managten wir einen Fonds, den Double-Eagle-Hedgefonds, der riesige Chancen im Inland und im Ausland nutzte. Wegen einer technischen Veränderung in der Branche, einer neuen regulatorischen Einschränkung, mussten wir uns von der Firma trennen und uns selbstständig machen. Arnhold and S. Bleichroeder blieb unser wichtigster Broker.
    Wir bezogen ein kleines Büro und gründeten den Quantum Fund, einen ausgeklügelten Offshore-Hedgefonds für ausländische Investoren, die der Zinsausgleichssteuer nicht unterlagen. Der Fonds war auf den Niederländischen Antillen registriert. Wir führten überall auf der Welt Käufe und Leerverkäufe von Aktien, Rohstoffen, Währungen und Anleihen durch. Wir investierten, wo andere dies nicht taten, und erforschten unbekannte Märkte rund um den Globus. Ich arbeitete unermüdlich, weil ich so viel wie möglich über die weltweiten Ströme von Kapital, Gütern, Rohmaterialien und Informationen wissen wollte.
    1974 gab es auf der ganzen Welt nur eine Handvoll Hedgefonds. Es hatte ohnehin noch nie viele gegeben, und die meisten hatten ihre Geschäfte eingestellt, weil es so schrecklich schwer war, an der Wall Street Geld zu verdienen. Und die wenigen, die es noch gab, investierten hauptsächlich in den USA. Wir waren der einzige internationale Hedgefonds. In der Theorie sind die Leute von den Hedgefonds die schlauen Burschen, aber damals investierte keiner von ihnen im Ausland. Viele konnten damals Belgien noch nicht einmal auf der Landkarte finden, geschweige denn dort investieren.
    Der erste Hedgefonds wurde 1949 von Alfred Winslow Jones zusammengestellt. Es gab ihn also schon, als wir unseren Fonds gründeten – A. W. Jones ist heute noch im Geschäft –, und er war in den 1950er- und 1960er-Jahren sehr erfolgreich gewesen. Wir verwendeten die gleiche Kompensationsstruktur, die Jones entwickelt hatte und die damals auch andere nutzten.
    Auf den wichtigsten Unterschied zwischen einem Hedgefonds und einem normalen Investmentfonds deutet schon seine Bezeichnung hin: die Fähigkeit zu hedgen, also Positionen abzusichern. Hedgefonds

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