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Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Titel: Die Wall Street ist auch nur eine Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Rogers
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Kontinente und mehr als 50 Länder.
    Ich lernte, dass man durch nichts mehr über ein Land erfahren kann, als wenn man eine abgelegene Grenze überquert. Zunächst erfährt man, ob man Schmiergeld bezahlen muss. Läuft alles korrekt und ehrlich ab? Ist der Vorgang effizient? Dauert der Grenzübertritt zehn Minuten, wie es sein sollte, oder zieht er sich über den ganzen Tag hin? Man bekommt auch ein Gefühl für die jeweilige Landeswährung, denn gleich nach dem Grenzübertritt muss man Geld umtauschen. Natürlich gibt es immer einen offiziellen Wechselkurs, und zu diesem Kurs tausche ich ein wenig Geld, weil ich weiß, dass das Geld, das ich von der Regierung kaufe, nicht gefälscht ist. Ich kann es also mit den Banknoten vergleichen, die ich auf dem Schwarzmarkt kaufen will. Und dann finde ich den Schwarzmarkt, wenn es einen gibt – oder der Schwarzmarkt findet mich.
    Der Schwarzmarkt ist unentbehrlich, wenn man etwas über ein Land lernen will. Man erfährt sofort, ob es einen Schwarzmarkt gibt und, wenn ja, ob der offizielle Wechselkurs deutlich überzogen ist. Der Schwarzmarkt funktioniert so, als würde man die Körpertemperatur eines Menschen messen. Wenn ich Ihnen ein Thermometer gebe und wir Ihre Temperatur messen, wissen wir, ob etwas nicht in Ordnung ist. Wir wissen nicht, was nicht in Ordnung ist, aber wir wissen, dass es ein Problem gibt. Wenn Ihre Temperatur zu hoch ist, wissen wir, dass irgendetwas absolut nicht in Ordnung ist. Der Schwarzmarkt funktioniert genauso. Sie wissen nicht, was nicht in Ordnung ist, wenn Sie auf einen Schwarzmarkt treffen, aber seine Existenz liefert einen ersten Hinweis. Und wenn es am Markt eine hohe Prämie gibt – eine starke Diskrepanz zwischen dem offiziellen Wechselkurs und dem Kurs auf dem Schwarzmarkt –, dann weiß man, dass ein großes Problem besteht. Wenn Sie etwas über ein Land wissen wollen, dann können Sie in einem Gespräch mit einem Händler auf dem Schwarzmarkt mehr lernen als in einem Gespräch mit einem Minister der Regierung. Wenn Sie sich von der Grenze entfernen, erkennen Sie sofort den Zustand der Straßen. Gibt es Verkehrs­ampeln? Gibt es richtige Läden oder nur Bretterbuden, die sich als Läden aufspielen? Gibt es richtige Hotels oder nur Hinterhofabsteigen? Wenn man die Grenze überquert, weiß man schon viel über ein Land. Und man kann sich selbst für noch so erfahren halten – manchmal erlebt man doch große Überraschungen.
    Tabitha und ich fuhren von Tunesien und Algerien aus durch die Mitte Afrikas bis zur Grenze Botsuanas. Als wir dort ankamen, wusste ich sofort – zumindest wurde es mir innerhalb einer Stunde sehr klar –, dass wir in Afrika noch nie ein solches Land gesehen hatten. Da gab es nichts von dem, was wir in vielen anderen Ländern erfahren hatten – in Russland, in Asien. Kein Schwarzmarkt, keine Schmiergelder, totale Effizienz … gute Fernstraßen, Ampeln, Verkehrsschilder … Einkaufszentren, wie es sie auch in jeder amerikanischen Kleinstadt hätte geben können. Und als wir in der Hauptstadt eintrafen, fanden wir dort Hotels vor. So etwas hatten wir schon lange nicht mehr gesehen.
    Vor meiner Abreise aus New York musste ich mich mit der Frage beschäftigen, was ich mit meinen Investments anfangen sollte, während ich unterwegs war. Zum Glück beurteilte ich einige Marktsektoren optimistisch, die man nicht täglich beobachten musste. Mein Kapital steckte also größtenteils in Energieversorgern, Staatsanleihen und Fremdwährungen, und ich nahm vor der Reise kaum Veränderungen vor. Wenn ich richtiglag, würde ich Gewinne machen, wenn ich mich irrte, würde ich nicht pleitegehen. Ich reduzierte meine Leerverkaufspositionen und stellte alle Futures glatt. Das war keine Investmentreise, aber wenn ich reise, wohin auch immer, will ich bereit sein, vielversprechende Chancen zu nutzen. Ich wusste, dass es in Botsuana einen Aktienmarkt gab, und begann sofort zu investieren. Ich kaufte jede Aktie, die an dieser Börse notiert war.
    Nicht dass Sie nun glauben, ich hätte großartig zugeschlagen: An der Börse in Botsuana gab es damals nur sieben Aktien. Ich behielt sie bis vor ungefähr fünf oder sechs Jahren. Bei jeder Neuemission oder Aktiendividende stockte ich mein Engagement auf. Botsuana ist ein sehr großes Land mit wenigen Einwohnern, aber es verfügt über eines der größten Diamantenvorkommen der Welt. Bis 2007 oder 2008 reinvestierte ich immer wieder in Botsuana, bis ich mich dazu entschloss, alle meine

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