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Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Titel: Die Wall Street ist auch nur eine Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Rogers
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Menschen – auch ich – nicht haben und die für kluge, motivierte und hartnäckige Menschen einen großen Vorteil darstellt. Hätte ich angenommen, dass Brasilien in der Zukunft das wichtigste Land sein würde, dann hätte ich meine Töchter wahrscheinlich Portugiesisch lernen lassen, und wir würden heute in Südamerika leben.
    In New York engagierten wir für Happy Shirley Ni, ein Mandarin sprechendes chinesisches Kindermädchen, und 2006 schrieben wir Happy in St. Hilda’s & St.Hugh’s ein, an der einzigen Schule, die Dreijährigen Mandarin beibrachte. Die Kinder dort lernten diese Sprache nur eine Stunde pro Woche. Das war schon mal ein Anfang, aber bald wurde klar, dass das nicht reichte. Ich war in den USA vielen Chinesen begegnet, die mit ihren Kindern Mandarin sprachen, aber ab einem Alter von acht oder neun Jahren antworteten die Kinder ausschließlich in Englisch. Alle Leute an der Schule und alle ihre Freunde sprachen Englisch – Mandarin zu sprechen war nicht cool. Wie alle Kinder waren sie entschlossen, ihren eigenen Weg zu gehen. Eines Tages kam Happy heim – sie war damals zwei oder drei Jahre alt – und sagte: »Ich will Spanisch sprechen.« In Riverside Park war Spanisch sehr verbreitet. Die Kindermädchen kamen alle aus Puerto Rico oder aus Mittelamerika; daher sprachen alle Kinder Spanisch, und Happy fühlte sich ausgeschlossen, »weil ich Chinesisch spreche«.
    Eines war klar: Wenn Happy in New York aufwuchs, würde sie niemals wie eine Chinesin Mandarin sprechen. Wenn es uns wirklich ernst damit war, dass sie die Sprache völlig fließend beherrschte, mussten wir sie dort aufwachsen lassen, wo sie keine andere Wahl hatte, als in dieser Sprache zu kommunizieren. Irgendwo, wo sie nicht sagen konnte: »Ich werde nicht Chinesisch sprechen.« In einer Stadt, wo Chinesisch gesprochen wurde, war das offensichtlich unmöglich. Diese Entscheidung fiel zeitlich mit einer Phase zusammen, die ich als eine Periode des ernsthaften Niedergangs in Amerika interpretierte. Eine aus dem Ruder laufende Staatsverschuldung, eine verantwortungslose Außenpolitik – und in New York gab es keinerlei fiskalische Disziplin oder Kontrolle. Das Leben in dieser Stadt würde in Zukunft nicht besonders angenehm sein. Jetzt, als alle diese Dinge zusammenkamen, war es sehr sinnvoll, mit der Familie umzuziehen und den Kindern etwas anderes zu bieten. Daher boten wir das Haus zum Verkauf an und suchten nach einem Wohnort in Asien. Früher hatte ich mich über Eltern lustig gemacht, die zum Wohl ihrer Kinder umzogen. Und jetzt tat ich genau das.

8. Die größte Schuldnernation
der Geschichte
    Als Paige und ich das Haus verkauften, bereitete mir das große Probleme. Ich wusste, dass ich nie wieder in einem so wundervollen Haus leben würde. Es gibt nicht viele solche Häuser. Und immer wieder dachte ich : Ich habe Happys Geburtsrecht verkauft. Sie wird niemals in diesem Haus wohnen. Ich nahm eine Klausel in den Verkaufsvertrag auf, die mir ein Vorkaufsrecht einräumte, falls sich die Käufer jemals zu einem Verkauf entschließen sollten. Die Möglichkeit, das Haus zurückzukaufen, machte den Verkauf weniger schmerzhaft.
    Damals, 2007, warnte ich in aller Öffentlichkeit vor einer Spekulationsblase am Immobilienmarkt. In den drei Jahrzehnten seit meinem Hauskauf waren die Immobilienpreise ständig gestiegen, und nun war ich überzeugt, dass der Markt einen Höhepunkt erreicht hatte. Ich verkaufte die Aktien von Bauunternehmen leer. Ich verkaufte Fannie Mae leer. Ich hatte damals jede Woche einen Auftritt im Fernsehen, wo ich in aller Öffentlichkeit einen Crash prognostizierte.
    Paige sagte: »Kannst du mal den Mund halten, wenn es um Immobilien geht? Kannst du einfach damit aufhören, bei jedem Interview über eine Immobilienblase zu reden? Wir versuchen gerade, dieses Haus zu verkaufen!«
    Wir verkauften, als der Markt sein Top erreicht hatte. Der Crash folgte kurz darauf. Sollten mich die Eigentümer meines ehemaligen Hauses anrufen und es mir zum Kauf anbieten, dann wahrscheinlich zu einem niedrigeren Preis als dem, den sie mir damals bezahlt haben. Aber ich würde es heute nicht mehr kaufen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wieder in New York zu leben. Wir reisen mindestens einmal pro Jahr in die USA, hauptsächlich, um Paiges Eltern und meine Mutter zu besuchen, die nun schon über 90 Jahre alt ist. Wir nutzen die Gelegenheit, Freunde in New York zu besuchen, und wir wohnen dort in Hotels. New York war schon

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