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Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Titel: Die Wall Street ist auch nur eine Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Rogers
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und es war auch eine Revolution erforderlich, um sie zur Realität werden zu lassen. Dieses Land sind wir heute nicht mehr. Wir sind ein Land, in dem das Primat des Individuums den Vorrechten des Staats untergeordnet wird.
    1980 wählten wir einen Präsidenten, der versprach – wenn schon nicht mehr –, den Wunsch der Mehrheit zu erfüllen »den Menschen die Regierung vom Hals zu halten«. 2004 wählten wir einen Präsidenten zum zweiten Mal, dessen Popularität sich von dem impliziten Versprechen ableitete, der Regierung das Volk vom Hals zu halten. Wir bauen derzeit eine Regierung auf, die so ist wie jene, vor denen die Einwanderer und Vertriebenen flohen, die vor 200 Jahren nach Amerika kamen. Wir sind unseren Gründervätern entwachsen. Heute sind wir die Söhne und Töchter, die einer von ihnen 1759 vor dem warnte, was wir heute sind.
    »Wer bereit ist, grundlegende Freiheitsrechte aufzugeben, um sich ein wenig vorübergehende Sicherheit zu erkaufen, verdient weder Freiheit noch Sicherheit«, sagte Benjamin Franklin.
    Wenn wir damit zufrieden sind, unseren Anspruch aufzugehen, das Land der Freien zu sein, indem wir unsere Rechte an eine Regierung abtreten, die uns Angst einjagt, werden wir ein Problem damit haben, uns als Home of the Brave, als Heimat der Tapferen zu bezeichnen.
    Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Buches wird ein Gesetz in Kraft getreten sein , das es Amerikanern effektiv unmöglich macht, ein Bankkonto in einem anderen Land zu eröffnen. Nehmen wir an, Sie sind ein Manager bei Ford und werden zu einem Tochterunternehmen in Deutschland versetzt. Dort eröffnen Sie bei einer Bank ein Konto, um Ihre Rechnungen zu bezahlen und Euros abzuheben. Unter dem Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA), der am 1. Januar 2013 in Kraft treten soll, kann es für die ausländische Bank zu kostspielig werden, Sie als Kunden zu behalten.
    Es besteht schon lange die Verpflichtung, dass Amerikaner alle ihre ausländischen Bankkonten den US-Behörden melden, so wie ich es tue, wenn ich meine Steuern zahle. Aber schon jetzt haben mich die Mitarbeiter von zwei ausländischen Banken, bei denen ich seit Jahren Konten besitze – deren Existenz ich auch immer vorschriftsmäßig gemeldet habe –, angerufen und mir gesagt: Es tut uns leid, wir mögen Sie, aber wir nehmen keine Amerikaner mehr auf und müssen diejenigen loswerden, die wir schon als Kunden haben. Warum? Weil die Meldung der Kontodaten, für die immer ich selbst verantwortlich war, jetzt in ihre Zuständigkeit fällt – und sogar in noch belastenderer Art und Weise.
    Das Gesetz sieht Folgendes vor: Ausländische Institutionen, die keine Vereinbarung mit den amerikanischen Finanzbehörden unterzeichnen, dass sie die Daten amerikanischer Kunden melden werden, müssen damit rechnen, dass 30 Prozent ihrer in den USA erzielten Einkünfte einbehalten werden. Diese Banken sehen sich nicht als Filialen des US-Finanzministeriums. Sie werden nicht dafür bezahlt, all die zusätzliche Arbeit zu leisten, die nötig ist, die Berichte über ihre Kunden zu erstellen und zu übersenden. Wegen der hohen Kosten und der Androhung prohibitiver Strafen schließen sie ihre amerikanischen Kunden einfach aus. Zudem besteht immer das Risiko von Gerichtsprozessen und Geldstrafen, auch wenn es sich bloß um einen versehentlichen Fehler handelt, und daher ist es die effizienteste Lösung, Amerikaner auszuschließen. Europäische Banken wie Deutsche Bank, Credit Suisse und HSBC haben schon 2011 damit begonnen, alle US-Brokerkonten zu schließen.
    Die Furcht vor einer Kapitalflucht infolge dieses Gesetzes erscheint gerechtfertigt. Ich habe gehört, dass man in London jetzt sechs Monate warten muss, bis man die amerikanische Staatsbürgerschaft ablegen kann. In Genf sind es 14 Monate. Vor 50 oder sogar noch vor 30 Jahren entschlossen sich nur verschwindend wenige Leute für diesen Schritt. Das wahrscheinlich berühmteste Beispiel ist John Templeton, der milliardenschwere Fonds­pionier und Philanthrop, der 1964 seine amerikanische Staatsbürgerschaft aufgab, weil er nicht über 100 Millionen Dollar Steuern für den Verkauf seines internationalen Investmentfonds Templeton Growth bezahlen wollte. Er ließ sich auf den Bahamas nieder, nahm die dortige und die britische Staatsbürgerschaft an.
    Heute gibt es Wartelisten. Im US-Konsulat in Singapur hängt eine Preisliste aus, auf der die Preise verschiedener Dienstleistungen in diesem und im vergangenen Jahr aufgeführt sind.

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