Die Wall Street ist auch nur eine Straße
Chinesen sind uns zu Hilfe gekommen, werden die Europäer sagen. Sie waren die guten Jungs, sie kauften unsere Anleihen, als niemand sonst das tun wollte oder konnte.
Amerika würde diese Anleihen vielleicht auch gern kaufen, aber Amerika verfügt nicht über das nötige Geld. Auch in diesem Fall gerät es uns zum Nachteil, dass wir uns finanziell übernommen haben, wie selbst die Studien des US-Verteidigungsministeriums zeigen.
PAIGE UND ICH kamen kürzlich von einer Reise nach Myanmar zurück, und es sieht ganz so aus, als sei dieses Land Amerikas nächste verpasste Chance.
1962 war Myanmar, das damals noch Burma hieß, das reichste Land Asiens. Dann übernahm der Generalstabschef und Numerologe Ne Win die Macht. Das war der Beginn von 50 Jahren Militärherrschaft. Seither haben Astrologen und Numerologen das Land regiert. Ne Win und seine Nachfolger führten ein Wirtschaftsprogramm nach sowjetischem Vorbild ein, den burmesischen Weg zum Sozialismus, schlossen die Landesgrenzen, und dann wurde Myanmar – die offizielle Namensänderung erfolgte 1989 – natürlich zu einem der ärmsten Länder der Welt.
Heute befindet sich Myanmar im Übergang zu einem zivilen Regierungssystem. Nachdem es ein halbes Jahrhundert unter Misswirtschaft, Stagnation und Isolation gelitten hat, befindet sich das Land heute ungefähr da, wo Deng Xiaopings China 1978 stand. Seine Wirtschaft gehört zu den unterentwickeltsten der Welt. Und ich kann mir gar keine aufregendere Investmentchance vorstellen – 60 Millionen Menschen, riesige Bodenschätze, mit gut ausgebildeten, disziplinierten Arbeitskräften in einem Land, das zwischen Indien und China liegt. Ich wollte dort sehr gern investieren, aber die Beschränkungen waren so enorm, dass ich wahrscheinlich leichter in Nordkorea investieren könnte – mehr dazu später. Doch nicht Myanmar stellte solche lästigen Beschränkungen auf, sondern Amerika. Ich ließ meinen Anwalt die Sache prüfen, und scheinbar ist es für einen Amerikaner schon fast ein Verbrechen, das Wort »Myanmar« auch nur auszusprechen. Ich bemühte mich bei der Regierung – meiner Regierung, der US-Regierung – um eine Lizenz, um in Myanmar investieren zu dürfen, aber wie ich erwartet hatte, geschah nichts.
Der Rest der Welt strömt nach Myanmar, gleich nach den anderen Asiaten, die schon dort sind. Die Briten, deren Herrschaft während der Kolonialzeit einer früheren Feudalgesellschaft eine neue Ordnung gab, unterliegen dort so gut wie keinen Einschränkungen. Nur wir, die wir im Land der Freien leben, werden daran gehindert, an den großartigen Veränderungen teilzuhaben, die sich in Myanmar ereignen. Wer noch nicht dort war, beeilte sich, so schnell wie möglich dorthin zu kommen, weil man wusste, dass man für eine gewisse Zeit nicht mit den USA konkurrieren musste. Wenn Sie im Ölgeschäft tätig gewesen wären, hätten Sie sich flugs nach Myanmar aufgemacht, weil Sie dort nicht mit Exxon hätten konkurrieren müssen. Als die Amerikaner endlich an dem Ansturm teilnehmen durften, hatten andere schon einen großen Teil der guten Sachen gekauft.
Noch einmal: Das ist nicht das einzige Beispiel für die Kurzsichtigkeit Amerikas. Sogar im Iran, wo ich vor ungefähr 20 Jahren investiert habe, konnte man eine US-Lizenz erhalten, die Investitionen erlaubte, solange man nicht mehr als einen bestimmten Betrag an Millionen Dollar im Sinn hatte. Wenn es aber um Myanmar ging – so verstand ich es und so verstand es auch mein Anwalt –, grenzte für einen Amerikaner allein eine Reise dorthin nach Ansicht der US-Regierung an ein Verbrechen.
Paige und ich reisten mit einfachen Touristenvisa, die wir in Singapur gekauft hatten, und für uns war es der zweite Besuch in Myanmar. Zehn Jahre zuvor, 2001, waren wir im Rahmen unseres Millennium-Abenteuers durch das Land gefahren. Auf dieser ersten Reise nach Myanmar begegneten wir vielen Menschen. Ich traf mich mit mehreren Bankpräsidenten und Leuten aus der Bergbaubranche, um über die Veränderungen in Myanmar zu diskutieren, und alle schienen überzeugt, dass die Veränderungen real waren. Ich begegnete dem Chef der Handelskammer. Noch wenige Monate zuvor saß an seiner Stelle jemand, der von der Regierung ernannt worden war. Er dagegen war von den Mitgliedern der Kammer gewählt worden.
Er erklärte: »Jetzt muss ich dafür sorgen, dass die Mitglieder zufrieden sind, sonst werde ich meinen Job nicht behalten.«
Paige wird jetzt allmählich zur Gemmologin. Sie hat schon
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