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Die Wand der Zeit

Die Wand der Zeit

Titel: Die Wand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Bruce
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Arbeit geleistet, Andalus. Wir haben für unser Volk, für unsere Interessen gekämpft. Und jetzt haben wir ihnen eine Zukunft gesichert. Fürchten Sie die Zukunft nicht. Wir waren Feinde, wir waren Krieger. Jetzt sind wir Freunde und Staatsmänner. Wir haben uns unseren Schlaf heute Nacht verdient.«
    Damit verließ ich den Raum. Es war nur ein kurzer intimer Augenblick, aber ich wusste ihn zu schätzen. Stunden später trafen wir uns zum Festbankett, und er zeigte sich wieder ganz von seiner leutseligen Seite, wenn er auch den Blickkontakt mit mir mied.
    Ich gehe zu Andalus hinüber und stoße ihn mit der Fußspitze an. Verschlafen blickt er auf. Ich drücke ihm ein kleines Bündel Holz in die Hände. Er steht auf und läuft mit ein paar Schritten Abstand hinter mir her. Wie ein Hund.
    Später gehe ich Wurzeln holen und Gras für ein zweites Bett,wobei ich die Samen zum Essen aufhebe. Ihn lasse ich währenddessen in der Höhle. Als ich losgehe, bitte ich ihn, das Feuer in Gang zu halten. Er gibt nicht zu erkennen, dass er mich verstanden hat. Ich bitte ihn nicht noch einmal.
    Im Grasland geht mir die Puste aus. Und meine Arme schmerzen vom Holzhacken. Ich setze mich auf einen Stein. Für zwei zu sorgen hat mich erschöpft, und langsam macht sich jetzt doch mein Alter bemerkbar. Ich bin zwar noch in Form, aber alles hat seine Grenzen. Ein Mensch aus Fleisch und Blut gegen die Wasserfluten, das Andrängen der See, den Sog des Schlamms. Der Blick in die ferne Zukunft kann beängstigend sein. Dennoch darf ich ihn nicht scheuen. Ich will im Auge behalten, wie viel von der Insel verloren geht, damit ich genau weiß, wann es so weit ist, und es mit wachen Sinnen erleben kann, mich der Wasserwand stellen kann, wenn sie kommt. Damit ich stolz und ungebrochen untergehen kann. Jetzt, wo ich mehr Arbeit in die Nahrungs- und Brennstoffgewinnung stecken muss, bleibt mir weniger Zeit für meine Karte, meine Berechnungen, meine Notizen. Ich wusste immer genau, wann es so weit sein würde, aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Es sind erst ein paar Tage, und ich bin für den Mann verantwortlich, aber er fällt mir zur Last. Bis jetzt waren mir Pflichten noch nie eine Last. Es steht nirgends geschrieben, dass ich mich um Andalus kümmern muss, und nichts hält mich davon ab, ihn wegzuschicken. Auch wenn das sein Tod wäre, da er nirgends hinkann. Es gibt hier keinen Richter, nichts, das mich davon abhielte, mich meiner Last zu entledigen. Nur ein Pflichtbewusstsein, und zwar kein trivial gefühliges – das haben wir längst abgehakt –, sondern ein aus der Not geborenes. Wir waren pflichtbewusst, weil wir es sein mussten, weil wir nur so überleben konnten. Die Überlebenden gehorchten.
    Meine Pflicht werde ich immer erfüllen. Das hält mich aufrecht; es ist das Band zwischen meiner Vergangenheit und meiner Zukunft.
    Ich hatte nie vor, nach Bran zurückzukehren. Die Fahrt zu überstehen wäre kein Problem. Ich bin mittlerweile Überlebensexperte. Aber man hat mich verbannt, und das respektiere ich. Sonst würde ich die Gesetze missachten, die ich selbst geschaffen habe. Andalus jedoch ist mir ein Rätsel. Was macht der Herrscher der Axumiten auf dem Territorium von Bran? Entweder haben sie expandiert, oder die alte Ordnung ist gestürzt worden. Vielleicht haben Abenteurer die Macht übernommen und planen eine Wiederaufnahme der Kriege, um Bran und seine Ressourcen in ihre Gewalt zu bekommen. Natürlich könnte er auch einfach zwischen den Inseln gesegelt sein, und ein schwerer Sturm hat ihn vom Kurs abgebracht. Da lassen sich verschiedene Geschichten denken. Wie auch immer es dazu gekommen ist, die Vereinbarungen des Großen Plans sind verletzt worden, und es dürfte mein Pflicht sein, das zu melden. Ich muss mehr über ihn herausfinden, muss wissen, was ihn hergeführt hat. Aber das ist unmöglich, wenn er schweigt.
    In meinem Land gibt es einen Mythos. Einer der alten Götter – wir glauben nicht mehr an Götter – wurde als Abweichler vom Himmelsrat verbannt. Wochenlang segelte er rund um die Welt. Als er schließlich Land entdeckte, blieb er dort bis ans Ende seiner Tage und geißelte vorüberfahrende Schiffe mit Blitzen und Unwettern. Als er starb, wurden seine versteinerten Überreste zu einem Berg, dessen Gipfel die Züge des Gottes trug, uns zur Warnung und zum Fluch, da alle, die sein Antlitz schauen, ebenfalls in einem fremden Land zu Stein werden.
    Ein anderer Mythos erzählt von einem sagenhaften Königmeines

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