Die Wanderapothekerin 1-6
Mönch kommen, um mit dir zu reden«, fuhr der Wirt fort.
»So? Was will so einer denn von mir?«, fragte Schneidt verwundert.
»Das wird er dir schon selber sagen!« Mit der Bemerkung stand der Wirt auf und begrüßte Gäste, die ihm wichtiger erschienen als ein Wanderapotheker aus Thüringen.
Alois Schneidt aß mit gutem Appetit. Es lief doch gut. Sein Bruder war tot, sein Neffe ebenfalls und seine Nichte höchstwahrscheinlich den Räubern zum Opfer gefallen.
»Sie hätten klüger sein und mit mir teilen sollen«, murmelte er und zuckte beim Klang der eigenen Stimme zusammen.
Nimm dich zusammen!, rief er sich zur Ordnung. Das darf niemand wissen, selbst mein Weib und meine Tochter nicht.
Der letzte Bissen verschwand gerade in seinem Mund, als ein Mönch zur Tür hereinkam. Seine schlichte braune Kutte verriet, dass er zu einem Bettelorden gehörte. Nachdem er ein paar Worte mit dem Wirt gewechselt hatte, kam er auf Alois Schneidt zu.
»Bist du der Bruder des Wanderapothekers, der in dieser Gegend ums Leben gekommen ist?«, fragte der Mönch und setzte sich zu ihm, als Schneidt nickte.
»Lass dir mein Beileid aussprechen«, fuhr der Mönch fort.
»Ich danke dir!«, antwortete Schneidt und ließ sich sein Krüglein erneut füllen.
Der Mönch leckte sich genießerisch über die Lippen, wagte aber nicht, sich selbst etwas zu bestellen. Seine Hoffnung, von Schneidt eingeladen zu werden, erfüllte sich jedoch nicht.
»Ich habe mit dir zu sprechen, mein Sohn«, sagte er mit kratziger Stimme.
Auf dem Ohr war Alois Schneidt jedoch taub. »Wüsste nicht, was ich mit dir zu bereden hätte.«
»Es geht um deinen Bruder! Er starb ohne das Sakrament der Letzten Ölung und – schlimmer noch – als Ketzer!«
»Ich glaube nicht, dass ich es ebenso sehe!« Allmählich wurde der Mönch Schneidt lästig, und er ließ es sich anmerken.
»Nun, mein Sohn, es gibt einiges zwischen uns zu besprechen. Es war mit Kosten verbunden, den Leichnam deines Bruders zu bergen, hierherzubringen und zu begraben, denn wir wollten einen ehrlichen Balsamträger nicht einfach an der Klostermauer verscharren wie einen Landstreicher. Auch mussten Messen gelesen werden, damit seine Seele, obgleich es die eines Ketzers war, vielleicht doch noch ins Himmelreich gelangen kann. Damit dies auch sichergestellt ist, solltest du weitere hundert Seelenmessen bestellen. Sonst besteht die Gefahr, dass dein Bruder unweigerlich in die Hölle fährt. Immerhin kam er ums Leben, ohne geistlichen Beistand erhalten zu haben. Das solltest du nicht vergessen.«
Bei all den Forderungen quollen Alois Schneidt förmlich die Augen aus dem Kopf. »Bist du närrisch!«, rief er. »Was habe ich mit dem Ganzen zu tun, wenn ihr Geschorenen hier euer papistisches Getue veranstaltet?«
»Du bist der Bruder des Mannes und daher verantwortlich dafür, dass dessen Schulden, die er noch im Tod aufgehäuft hat, auch bezahlt werden.«
Die Stimme des Mönchs hatte jeden verbindlichen Klang verloren, und er legte Alois Schneidt einen Zettel vor, auf dem alle Ausgaben einschließlich der hundert noch ungelesenen Messen verzeichnet waren.
Alois Schneidt starrte auf die Summe und schüttelte empört den Kopf. »Das zahle ich nicht!«
»Vergiss nicht, darüber hinaus für das Seelenheil deines Bruders zu spenden. Es kommt auch dir und deiner Familie zugute«, setzte der Mönch seine Rede fort, ohne auf Schneidts Einwand einzugehen. Schließlich blickte er den Wanderapotheker mit einem höhnischen Ausdruck an. »Solltest du dich weigern zu zahlen, müssten wir vor den Rat der Stadt gehen.«
Diese Drohung traf, denn als Landfremder erführe Alois Schneidt nicht den geringsten Beistand in dieser Stadt. Wenn er Pech hatte, sperrte man ihn in den Schuldturm. Im besten Fall aber warf man ihn zum Tor hinaus, und er durfte nicht am Markt teilnehmen, von dem er sich gute Einnahmen versprach.
»Eigentlich wäre es die Sache meiner Schwägerin, für ihren Mann zu zahlen«, sagte er in ohnmächtiger Wut.
»Deine Schwägerin lebt fern von hier, und so ist es deine Pflicht, für den Bruder zu zahlen. Du kannst dir das Geld ja von deinen Verwandten zurückholen«, schlug der Mönch vor.
»Das werde ich auch!« Alois Schneidt sagte sich, dass er dieses Geld von dem Anteil abziehen würde, den er seiner Schwägerin Johanna noch zubilligte, und öffnete verärgert seinen Beutel. Die Summe riss ein tiefes Loch in seinen heurigen Verdienst. Ohne den Schatz, den er zu erringen hoffte, würde
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