Die Wanderapothekerin 1-6
so manchen Groschen allein für die Erlaubnis bezahlen, das Coburger Land und andere Gebiete durchqueren zu dürfen. Verkaufen durfte sie dort jedoch noch nichts.
Ihre Laune sank immer mehr, zumal auch die Nächte fürchterlich waren. Wenn sie Glück hatte, konnte sie auf einer Schütte Stroh im Stall schlafen. Meist aber musste sie sich auf den Fußboden einer Gaststube legen, mit einem Dutzend anderer Reisender um sich herum, so dass sie hilflos anzüglichen Reden und deren Schnarchkonzert ausgesetzt war. Sie war daher erleichtert, als sie Kronach erreichten, denn von dieser Stadt aus konnte sie endlich ihre Wanderung antreten.
Während Tobias ihr das Reff vom Wagen herabreichte, sah er sie lächelnd an. »Mit etwas Glück wirst du gleich hier deine ersten Heilmittel los! Morgen findet in Kronach ein großer Markt statt, und wir haben das Recht, dort einen Stand aufzubauen. Im letzten Jahr war dein Onkel an der Reihe. Daher ist es jetzt an dir, deine Waren feilzubieten.«
Klara wäre durchaus froh gewesen, mit einem leichteren Reff weiterzuziehen. Aber Tobias sprach sie so überheblich und gönnerhaft an, dass sie ihre Stacheln aufstellte. »Und wo soll ich die Nacht schlafen? Wieder in einer Gaststube, in der du mir die Ohren vollschnarchst?«
Sie wusste selbst, dass sie ungerecht war, denn im Gegensatz zu ihrem Onkel hatte Tobias nie geschnarcht.
Nun wirkte er beleidigt, und sie bedauerte ihre unbedachte Bemerkung. Immerhin hatte er ihr unterwegs stets geholfen und, wie sie ehrlich zugab, ihr Reff öfter als sie auf den Wagen und wieder herabgehoben.
Als sie etwas sagen wollte, kam der Onkel ihr zuvor. »Herr Tobias und ich werden im Gasthaus übernachten. Wenn du es deinem Vater nachmachen willst, musst du dich unters Vordach legen. Das kommt billiger!«
Mit einem boshaften Lachen wandte Schneidt sich an Tobias. »Mein Bruder war arg sparsam, um nicht zu sagen, geizig. Oft hat er bei gutem Wetter im Wald übernachtet, obwohl es ihn nur ein gutes Wort und ein wenig Salbe gekostet hätte, bei einem Bauern unterzukommen.«
Ganz unrecht hatte ihr Onkel nicht, das musste Klara zugeben. Trotzdem war ihr die Art des Vaters zehnmal lieber als die seine. »Was soll falsch daran sein, sparsam zu leben?«, fragte sie bissig.
»Wenn du dich selbst kasteien willst, gerne. Ich tue es nicht!« Mit der Bemerkung wandte ihr Onkel sich ab und ging in Richtung Gasthof.
Klara sah, dass Tobias dem Fuhrmann ein kleines Trinkgeld zusteckte, und überlegte, ob auch sie es tun sollte. Doch als sie an ihre Börse greifen wollte, winkte Tobias ab.
»Lass es gut sein! Er hat genug erhalten.«
»Danke!« Klara senkte den Kopf und nahm ihr Reff auf den Rücken.
Mit einem Kopfschütteln sah Tobias ihr zu, forderte sie aber nicht auf, es ihm zu überlassen, denn in dieser Hinsicht war sie entsetzlich stur.
»Ich würde dir nicht raten, unter dem Vordach zu schlafen. Das tun nur Landstreicherinnen und schlimme Weiber. Dafür sind sie der Belästigung durch alle betrunkenen Lüstlinge der Stadt ausgeliefert.«
Tobias wollte nicht noch deutlicher sagen, dass es sich bei denen, die draußen schliefen, zumeist um Frauen mit lockerer Moral oder gar um Huren handelte, die sich auf diese Weise ihr Brot verdienten.
Aus einer gewissen Widerspenstigkeit heraus wollte Klara schon erklären, dass sie das Vordach dem Schlafraum des Gasthofs vorziehen würde. Doch ein Blick auf Tobias’ Miene belehrte sie eines Besseren. Sie beschloss, seine Warnung nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.
»Also gut!«, sagte sie deshalb. »Dann tu ich mir noch einmal das Geschnarche an. Ab morgen wird es ja ohnehin anders werden.«
»Ich verspreche dir, heute nur ganz leise zu schnarchen.«
Tobias grinste schon wieder, und das ließ Klara bedauern, eingelenkt zu haben. Mit dem Gedanken, es sich bis zur Schlafenszeit noch einmal zu überlegen, trug sie ihr Reff in den Gasthof, stellte es dort neben dem ihres Onkels ab und setzte sich zu diesem. Alois Schneidt hatte das kurze Gespräch zwischen seiner Nichte und dem Sohn des Laboranten ausgenützt, um sich einen vollen Krug Bier und eine Portion Braten reichen zu lassen. Als Klara neben ihm Platz nahm, steckte er sich eben ein Stück Fleisch in den Mund.
»Hm, das schmeckt«, meinte er, während er genüsslich kaute.
»Willst du auch Braten?«, fragte die Wirtin.
Klara schüttelte den Kopf. »Nein danke! Mir reicht ein Napf mit Eintopf.«
»Sie ist die Tochter meines Bruders Martin und nicht weit vom
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