Die Wanderapothekerin 1-6
zurück und hoffte, dass die Zecher bald nach Hause gehen würden, damit sie sich schlafen legen konnte.
5.
D ie Nacht war grauenhaft. Wegen des Marktes waren viele Menschen nach Kronach gekommen, und nicht wenige davon übernachteten in diesem Gasthaus. Klara hatte man deswegen einen Winkel ganz hinten bei mehreren anderen Frauen zugewiesen. Trotzdem bekam sie die Unruhe, das Gemurmel und vor allem das Schnarchen einiger betrunkener Männer so stark mit, als läge sie zwischen diesen. Eine der Frauen jammerte wegen des Lärms, und eine andere betete so laut, dass Klara schon deswegen nicht einschlafen konnte.
Sie hatte ihren Weg als Wanderapothekerin nicht einmal richtig angetreten, da sehnte sie sich bereits nach ihrem Bett zu Hause und danach, in den Wald zu gehen und Kräuter zu sammeln. Sogar Holz hätte sie nun mit Begeisterung gehackt. Stattdessen würde sie am nächsten Morgen ihr Reff als Marktstand benutzen und versuchen, so viele Salben und Essenzen wie möglich zu verkaufen. Da sie schon mit frischen Kräutern und getrockneten Pilzen auf dem Markt in Königsee gehandelt hatte, glaubte sie sich dafür gerüstet.
Mit diesem Gedanken schlief sie schließlich doch ein und wachte am Morgen wie zerschlagen auf. Der strenge Geruch in der Gaststube brachte sie dazu, einen der Fensterläden aufzustoßen und erst einmal durchzuatmen. Einige Männer standen bereits am Brunnen und wuschen sich. Bisher hatte sie unterwegs einen Eimer frisches Wasser in einen leeren Raum gestellt bekommen. Diesen Luxus bot die hiesige Wirtin nicht, sondern wies mit einer knappen Geste auf den Hof. »Wenn du dich waschen willst, kannst du es wie die Mannsleute am Brunnen tun. Keine Angst, die schauen dir schon nichts ab!«
Tobias vernahm es und wartete gespannt auf Klaras Entscheidung. Würde sie sich bis zur Taille ausziehen und sich neben den Männern waschen, so wie es einige der anderen Weiber machten, oder war sie zu schamhaft dafür? Das Letztere war der Fall, denn Klara wusch sich nur kurz Gesicht und Hände und kehrte dann in die Gaststube zurück.
Dort teilte die Wirtin bereits die Morgensuppe aus. Auch Klara erhielt einen Napf. Es war mehr Wasser- als Graupensuppe, und auch bei den anderen Zutaten hatte die Wirtin gespart. Klara wunderte sich, warum die Leute trotzdem so zahlreich bei ihr einkehrten. Es konnte nur wegen des Marktes sein. Sie vermutete, dass auch die anderen Wirte der Stadt bei diesem Anlass mit Gewalt reich werden wollten und ihr Angebot nicht besser war.
Nachdem sie den letzten Löffel gegessen, die Reste mit Brot ausgewischt und dieses ebenfalls verzehrt hatte, sah sie ihren Onkel fragend an. »Wie ist es mit dem Markt? Wo muss ich da hin?«
»Vorne bei der Kirche ist rechts der Marktplatz«, antwortete Alois Schneidt, stand auf und nahm sein Reff auf den Rücken. »Wie ich gestern bereits sagte, muss ich heute früh aufbrechen. Gott befohlen!«
»Gott befohlen!«, antwortete Klara und hatte das Gefühl, als würde er sie im Stich lassen. Dann aber straffte sie die Schultern, hob ihr Reff auf und wollte das Gasthaus verlassen. Da stand auf einmal die Wirtin vor ihr und hielt ihr die offene Hand hin.
»Erst bezahlen, bevor du gehst. Dein Vater ist stets nach dem Ende des Marktes ins nächste Dorf weitergewandert, um dort noch etwas zu verkaufen. Wenn du es genauso hältst, sehe ich dich nie wieder.«
Bei diesen Worten erstarrte Klara. Während der Übernachtungen unterwegs hatte sie nie daran gedacht, dass sie eigentlich für Speis, Trank und Unterkunft hätte bezahlen müssen. Ihr Blick wanderte zu Tobias. Dessen Grinsen zeigte ihr, dass er bisher ihre Zeche beglichen hatte. Damit stand sie in seiner Schuld und würde ihm das Geld so bald wie möglich zurückgeben. Nun aber reichte sie der Wirtin die Münzen, die diese von ihr forderte, und verließ den Gasthof. Es blieb nicht die einzige Ausgabe an diesem Tag. Kaum hatte sie den Marktplatz erreicht, da stach ein Beamter des Magistrats auf sie zu.
»Wer bist du, und was willst du hier?«, fragte er streng.
»Ich bin Klara Schneidt, Wanderapothekerin aus Katzhütte. Ich trage die Arzneien im Auftrag des Laboranten Rumold Just aus Königsee aus.«
»Just? Der schickt doch sonst immer die Schneidt-Brüder!«
»Ich bin Martin Schneidts Tochter und habe von unserem Fürsten die Erlaubnis erhalten, die Strecke meines Vaters zu gehen«, erklärte Klara, der der Mann allzu unfreundlich erschien.
»Seit wann schicken die Königseer ein Weibsstück mit
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