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Die Wanderapothekerin 1-6

Die Wanderapothekerin 1-6

Titel: Die Wanderapothekerin 1-6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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direkt am Weg liegenden Stein, welcher auf der ihr zugewandten Seite das Wappen trug, das sie als Fahne auf dem Schloss des Grafen von Güssberg entdeckt hatte, auf der anderen Seite aber ein ihr unbekanntes. Also hatte Graf Benno sich nicht an die Grenzen seines kleinen Reiches gehalten, sondern die angebliche Hexe Martha auf fremdem Gebiet gefangen genommen.
    Bei dem Gedanken empfand Klara eine Wut, als hätte man ihr selbst ein schweres Unrecht zugefügt. Was dachte dieser Mann sich eigentlich, sich zum allmächtigen Richter aufzuschwingen? Ohne zu überlegen, was sie da tat, machte sie kehrt und folgte dem Zug.
    Erst als sie das Heimatdorf der Gefangenen erreicht hatte, fragte sie sich, was in sie gefahren war. Für einen Rückzug war es jedoch zu spät, denn sie war bereits entdeckt worden. Einer der Jagdgehilfen des Grafen kam auf sie zu, drehte sich aber auf den Ruf eines Kameraden um und deutete mit dem Daumen auf sie. Mit einem Mal bekam Klara es mit der Angst zu tun. Wenn sie sofort wieder ging, würden die Kerle gewiss misstrauisch werden. Deshalb gesellte sie sich zu einigen Frauen und beobachtete, wie der Graf sich mit seinen Begleitern auf dem frischen Grün des Dorfangers breitmachte und nun eine Ansprache hielt.
    »Dieses Weib«, rief er und wies auf Martha, »ist eine Hexe! Sie hat einen Geisterbären beschworen, der meine und eure Tiere fressen soll. Die Teufelskreatur wird erst verschwinden, wenn die Hexe ihre gerechte Strafe erhalten hat.«
    »Und was ist in deinen Augen die gerechte Strafe?«, murmelte Klara vor sich hin.
    Die Antwort ließ nicht auf sich warten. Der Graf sah sich so grimmig um, als wolle er die Menschen noch mehr einschüchtern, und rief: »Die Hexe wird heute Nacht an der Stelle, an der ihr Bär meine Schafe gerissen hat, an einen Pfosten gebunden und mit Honig bestrichen. Wenn der Bär sie verschmäht, ist sie ihrer üblen Taten überführt. Frisst er sie jedoch, so mag sie auf diese Weise zur Hölle fahren!«
    Einige johlten, während Martha sich in ihren Fesseln wand. »Ich bin keine Hexe!«, rief sie verzweifelt. »Ich kann keinen Zauberbären beschwören! Die bösen Worte habe ich doch nur aus Zorn gesagt, weil Unser erlauchter Herr Graf meinen Vater hat aufhängen lassen. Bitte, seid gnädig! Ich bin unschuldig!«
    Auf Benno von Güssbergs Zeichen hin versetzte ein Jagdgehilfe ihr einen heftigen Schlag ins Gesicht. Blut trat aus ihrer Nase und erstickte das, was sie noch sagen wollte.
    »Ihr habt gehört, was ich beschlossen habe. Und nun bringt Essen und Bier für alle, die dieses Weib verfolgt und gefangen haben. Es soll euch lehren, nie wieder gegen mich aufzubegehren.«
    Das war perfide, fand Klara. Immerhin war die Begleitung des Grafen, die nicht aus diesem Dorf stammte, fast doppelt so groß wie die Zahl der Menschen, die hier lebten. Für viele hieß dies, ihre Vorräte opfern und später hungern zu müssen. Die Angst vor ihrem Herrn war jedoch so groß, dass niemand ein Widerwort wagte. Die Weiber schlichen in ihre Häuser und Katen, schleppten Brot, Schmalz und Würste herbei und legten diese auf frischen Laken aus.
    Der Graf griff als Erster zu und erhielt auch den ersten Trunk. Seiner Miene nach stammte das Bier von seinem eigenen Braumeister. Das gute Bier der freundlichen Bäuerin hätte Klara ihm auch nicht gegönnt. Die engere Gefolgschaft des Grafen war ihres Herrn würdig, denn sie gingen mit dem Brot und den Würsten um wie die Sau mit dem Bettelsack. Gutes Brot, auch ganze Würste und Speck wurden in den Dreck geworfen, und man trat sogar noch darauf. Dazu soffen die Männer wie durstige Ochsen.
    Eine Frau kam auf Klara zu und reichte ihr einen Krug, eine andere gab ihr Brot und eine halbe Wurst. »Hier, das ist für dich! Dir geben wir es weitaus lieber als einigen anderen.«
    Klara begriff, dass diese Bemerkung auf mehrere der Treiber aus dem Residenzort gemünzt war, die sich ein Beispiel an den gräflichen Bediensteten nahmen und das gute Essen ebenfalls vergeudeten.
    »Möge Gott es euch vergelten. Möge er euch alles vergelten«, sagte Klara und spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen.
    Im Gegensatz zu ihrer Laune war die des Grafen ausgezeichnet. Er zielte immer wieder mit kleinen Brot- und Wurststücken nach der sichtlich hungrigen Gefangenen und lachte, als sie versuchte, etwas mit dem Mund zu fangen. Nach einer Weile taten seine Männer es ihm gleich und vergeudeten auch auf diese Weise weitaus mehr Nahrungsmittel, als sie

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