Die Wanderapothekerin 1-6
Auge sah sie den Grafen an.
»Möge Euch der himmlische Richter dafür zur Hölle schicken!«, sagte sie stockend und schloss das Auge, um ihren Peiniger nicht mehr ansehen zu müssen.
Einer der Jagdgehilfen krallte seine Finger in eine ihrer Brüste und quetschte sie. »Du selbst wirst zur Hölle fahren, Hexe!«
Noch einmal öffnete Martha das Auge. »Wenn ich weiß, dass ihr mir nachkommt, soll es recht sein. Ich melde mich sogar freiwillig, um die Feuer unter dem Kessel zu schüren, in den man euch steckt!«
Mut hatte die Frau, das musste Klara zugeben. Allerdings hielt sie es nicht für sinnvoll, den Grafen und seine Männer auf diese Weise zu reizen. Das zog doch nur neue Quälereien und Demütigungen nach sich. Als ein paar Kerle die Gefangene nun an einen Baum banden, griffen sie ihr zwischen die Beine und spotteten, als sie zu weinen begann.
»Was hast du denn?«, fragte einer. »Für den Teufel hast du deine Beine doch gerne breitgemacht.«
»Bloß geholfen hat es ihr nichts, denn weder Luzifer noch ein anderer Höllenknecht ist erschienen, um sie zu retten.«
»Ich wollte, sie kämen! Ihre Gesellschaft wäre mir lieber als die eure!«, stieß die Gefangene hervor.
Der Graf hob die Hand, um die Aufmerksamkeit aller auf sich zu lenken. »Eben hat sie gestanden, eine Hexe zu sein, die sich nach den geschwänzten Teufeln der Hölle sehnt. Wir werden ihr den Gefallen erweisen, rasch dorthin zu gelangen!« Noch während er es sagte, trat er auf Martha zu, griff mit der Rechten in den Honigeimer und begann, sie von Kopf bis Fuß einzuschmieren.
Diese Handlung, sagte Klara sich, war eines Edelmanns unwürdig. Doch Benno von Güssberg genoss es offensichtlich, den nackten Leib einer Frau unter seinen Fingern zu spüren und sie überall zu kneifen, ohne dass diese sich wehren konnte. Schließlich hatte er genug und schleuderte den Honigeimer kurzerhand in ein Gebüsch.
Klaras Abscheu vor Männern wuchs bei diesem widerwärtigen Schauspiel. Der Unterschied zwischen Graf Benno und dem Köhler Görch, dem sie im letzten Herbst beinahe zum Opfer gefallen war, bestand nur äußerlich. Im Innern waren beide verderbt.
Die Nacht brach herein, und die Männer des Grafen entzündeten Fackeln. Einige davon steckten sie so in die Erde, dass Martha im hellen Licht stand und ihr nackter Leib unter dem bernsteinfarbenen Überzug aus Honig deutlich zu erkennen war. Während die Jagdknechte die Gefangene verspotteten, sahen sich die Männer und Frauen aus den Dörfern immer wieder angstvoll um.
»Verzeiht, Euer Erlaucht, aber wäre es nicht besser, wenn wir nach Hause gehen würden? So verscheuchen wir doch nur den Bären«, schlug ein Mann vor.
Klara sah ihm deutlich an, dass er Angst davor hatte, der Bär könnte kommen und statt auf Martha auf ihn oder seine Familie losgehen. Auch Benno von Güssberg wirkte mit einem Mal nicht mehr so forsch wie zuvor. Er hieb mit der Faust durch die Luft und nickte.
»Du hast recht! Wenn wir zu viele sind, kommt das Biest nicht und fällt womöglich woanders über meine Herden her.«
»Oder über unsere Ställe!«, setzte der Bauer den Satz in seinem Sinne fort und winkte seinem Weib und seinen drei Kindern, ihm zu folgen. Er selbst nahm eine Fackel und machte sich auf den Heimweg. Dutzende folgten ihm. Der Graf warf noch einen kurzen Blick auf die Gefangene und wies dann auf vier seiner Männer.
»Ihr bleibt in der Nähe und gebt acht, dass die Hexe sich nicht befreien kann, bevor der Bär auftaucht.«
»Was machen wir, wenn das Untier da ist?«, fragte der Anführer der Jagdgehilfen mit einem besorgten Blick in die Dunkelheit.
»Dann könnt ihr euch zurückziehen, aber nur so weit, dass ihr Zeugen seid, wie sie gefressen wird!«
»Er mag nur die Leber, und meine allein ist arg wenig für eine Mahlzeit!«, rief Martha, um die Angst der Knechte zu schüren.
Wahrscheinlich hoffte sie, die Männer würden ebenfalls verschwinden, so dass sie sich unbemerkt aus den glitschigen Stricken herauswinden konnte.
Graf Benno ahnte jedoch, was sie im Schilde führte. »Ihr wartet hier! Wagt ja nicht zu fliehen, wenn ihr nicht meinen Zorn spüren wollt«, drohte er seinen Jagdknechten, ließ sich auf sein Pferd helfen und trabte für einen mutigen Mann etwas zu schnell davon.
11.
K lara hatte dem Ganzen regungslos zugesehen und begriff erst jetzt, dass sie mit der Gefangenen und den vier Männern zurückgeblieben war. Bislang hatte sie sich außerhalb des Fackelscheins aufgehalten, aber
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