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Die Wanderapothekerin 1-6

Die Wanderapothekerin 1-6

Titel: Die Wanderapothekerin 1-6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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seine Achtung vor den Bamberger Domherren nicht davon abhalten, Leute, die ihm nicht passten, auf seine Weise zur Rechenschaft zu ziehen.
    Nun bedankte sie sich für Speis und Trank, nahm ihr Reff auf den Rücken und verabschiedete sich von der gastfreundlichen Bäuerin. Diese gab ihr bis zum Hoftor das Geleit und kehrte dann an ihre Arbeit zurück. Klara fasste ihren Stock fester, ging weiter zum dritten Dorf, das zu dieser Grafschaft gehörte, und mahnte sich unterwegs selbst, den Besitz des Grafen Benno von Güssberg noch vor dem Abend zu verlassen.

10.
    I m nächsten Dorf war die Aufregung noch größer. Der Holzfäller Damian und seine Tochter Martha stammten aus diesem Ort, und die Bewohner nahmen es dem Grafen übel, dem Mann zuerst seinen verdienten Lohn verweigert und ihn dann wegen eines einzigen Hasen aufgehängt zu haben. Am meisten aber ärgerte es die Dörfler, dass Graf Benno selbst Frauen und Kinder gezwungen hatte, sich an der Treibjagd auf die angebliche Hexe zu beteiligen.
    Klara traf daher nur ein paar alte Weiber an, die sich gut an ihren Vater erinnern konnten und schon im letzten Jahr Gerold gegenüber bedauert hatten, dass dieser nicht wiedergekommen war. Als sie nun hörten, dass auch Klaras Bruder verschwunden war, versuchten sie, das Mädchen zu trösten, und kauften ihm ebenfalls etwas ab. Viel Münzgeld besaßen sie zwar nicht, doch Klara kam auf ihre Kosten und wurde zudem für die nächsten Tage mit Essen versorgt.
    Nachdem sie den Frauen noch Glück im Haus und im Stall gewünscht hatte, setzte sie ihren Weg fort. Es ging erneut durch den Wald, und nicht allzu weit entfernt hörte sie immer wieder Rufe und den Klang von Jagdhörnern. Wie es aussah, war Graf Benno immer noch auf Menschenjagd, würde aber bald an die Grenzen seines Besitztums stoßen. Klara hoffte, dass es der gejagten Magd gelang, die nächste Herrschaft zu erreichen. Doch ob die Frau dort in Sicherheit war, konnte sie nicht beurteilen. Wenn dem dortigen Herrn oder Verwalter an einem guten Verhältnis zu Benno von Güssberg gelegen war, schwebte Martha in höchster Gefahr, an diesen ausgeliefert zu werden.
    Unwillkürlich wurden Klaras Schritte länger, denn sie wollte die Grafschaft so rasch wie möglich hinter sich lassen. Gerade, als sie die Häuser des ersten Dorfes der nächsten Herrschaft zwischen den Bäumen auftauchen sah, veränderten sich die Rufe im Wald. Jubel klang auf, und sie glaubte auch, die Worte »Wir haben sie!« zu verstehen.
    Kurz darauf kamen die Stimmen deutlich näher. Klara wich in den Wald zurück und versteckte sich hinter einem dicken Baumstamm. Von dort aus konnte sie unbemerkt zusehen, wie Benno von Güssberg auf einem großrahmigen Rappen an der Spitze seiner Jäger und Treiber vorbeiritt. Er brauchte das starke Pferd, denn ein kleineres wäre unter seiner wuchtigen Erscheinung wohl zusammengebrochen. Gekleidet war er in schwarze Kniehosen, einen roten Rock, ein Rüschenhemd und einen federgeschmückten Dreispitz. Am meisten fiel ihr die prall gefüllte und reich bestickte Geldkatze auf, die er am Gürtel trug, als wolle er mit seinem Reichtum protzen. Sein Gesicht drückte eine so grimmige Zufriedenheit aus, dass Klara diesen Mann schon deswegen verabscheute. Insgesamt wirkte er auf sie so unangenehm und aufgeblasen, dass sie hoffte, nie etwas mit ihm zu tun haben zu müssen.
    Die Jagdaufseher des Grafen folgten ihrem Herrn zu Fuß und führten eine Gefangene mit sich. Sie hatten der angeblichen Hexe Martha die Hände auf dem Rücken zusammengebunden und hielten sie an zwei Stricken wie ein wildes Tier. Ihre Hunde strichen der jungen Frau um die Füße und bissen immer wieder in ihren zerfetzten Rock und – wie Marthas blutende Waden verrieten – in ihre Beine. Auch sonst sah die Gefangene übel aus. Ihr linkes Auge war fast ganz zugeschwollen, ihre rechte Wange blutverkrustet, und sie wimmerte vor Schmerz.
    Ihre Peiniger verspotteten sie, und selbst einige der Dörfler, die sich nur gezwungenermaßen an der Jagd beteiligt hatten, lachten sie aus, und sei es nur, weil sie froh waren, dass die Jagd endlich vorüber war und sie an ihre Arbeit zurückkehren konnten. Andere hingegen wirkten so mürrisch, dass Klara es dem Grafen nicht geraten hätte, diesen in der Nacht zu begegnen.
    Erst als der Zug vorbei war, wagte Klara sich zurück auf die Straße. Der Verstand riet ihr, rasch weiterzugehen und die Begebenheit zu vergessen. Aber nach wenigen Schritten erreichte sie einen großen,

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