Die Wanderapothekerin 2: Aufbruch (German Edition)
trat sie ins Freie und sah sich erneut den Hunden gegenüber. Diese flankierten sie knurrend, verbellten sie aber nicht mehr so wie bei ihrer Ankunft. Anscheinend hatten sie begriffen, dass jemand, der um diese Tageszeit offen aus der Tür kam, kein Dieb sein konnte. Trotzdem war Klara froh, als die Meute schließlich hinter ihr zurückblieb. Sie wanderte den Karrenweg entlang, der zu ihrem nächsten Ziel führte. Ein wenig ärgerte sie sich, weil Tobias Just zwar am Vortag ihre Niederlage auf dem Markt miterlebt hatte, nicht aber die freundliche Aufnahme in dem Gutshof, in dem sie gute Geschäfte gemacht hatte.
Dies erinnerte sie an den Theriak-Händler und die Bemerkung der Köchin, dass es sich bei dessen Wundermittel nur um einen Kräuterschnaps handelte. Sie wunderte sich, weshalb so viele Menschen auf diesen Betrüger hereinfielen, und war immer noch empört, weil er ihre weitaus wirksameren Medikamente ungestraft als Pfuscherei hatte hinstellen können.
Lange hing sie diesen trüben Gedanken nicht nach, denn der Morgen war einfach zu schön. Zwar drückte das Reff schwer auf Schultern und Rücken, und der wie Blei wirkende Horizont versprach einen heißen Tag. Doch gegen den Durst half das Wasser aus den Quellen, und für den Hunger hatte sie einen Achtellaib Brot und ein schönes Stück Räucherspeck bei sich. Wenn sie in den nächsten Dörfern etwas verkaufte, konnte sie sich so frei und glücklich schätzen wie ein Vogel in den Lüften.
Etwas später am Vormittag erreichte sie das erste Dorf. Auch hier gab es einen großen Gutshof, doch die Ehefrau des Verwalters schien es für unter ihrer Würde zu halten, sich mit einer einfachen Wanderapothekerin abzugeben. Klara wurde deshalb von der Mamsell empfangen und musste sich deren misstrauischen Blicken stellen.
»Ich weiß nicht, was mit euch Königseern ist. Jetzt ist es im dritten Jahr bereits die dritte Person, die eure Ware austrägt«, sagte die Frau harsch.
»Mir wäre es auch lieber, ich müsste es nicht tun, sondern mein Vater. Doch er ist im vorletzten Jahr nicht von seiner Wanderung zurückgekehrt, und im letzten Jahr ist mein Bruder Gerold verschwunden. Da mein jüngerer Bruder noch zu klein ist, ist es meine Aufgabe, die Salben und Essenzen des wohllöblichen Herrn Laboranten Just auszutragen«, erklärte Klara mit einer gewissen Trauer.
»Ich sage es ja, wanderndes Gesindel! Zeig dein Zeug! Ist es auch das Richtige?«
Klara wies der Frau den Zettel vor, der sie als vom Schwarzburg-Rudolstädter Fürsten privilegierte Wanderapothekerin auswies, und packte anschließend ihre Schachteln aus, um zu zeigen, was sie alles bei sich trug. Nach dem unfreundlichen Empfang befürchtete sie bereits, hier nur wenig verkaufen zu können, wurde aber zu ihrer Überraschung einiges los. Auch dieser Frau riet sie, die Töpfe und Flaschen jedes Mal zu reinigen, bevor sie neu gefüllt wurden, und sah die Mamsell nicken.
»Bei den Töpfen, in die wir Mus geben, tun wir es auch, damit es nicht schimmelig wird. Also wird es bei den Arzneien ebenfalls nicht schaden!«, erklärte sie und wies Klara an, die Summe zu berechnen, die sie zahlen sollte.
Ihre Hoffnung, das Mädchen wäre beim Rechnen nicht so firm, erfüllte sich jedoch nicht, denn Klara brachte genau die gleiche Zahl heraus wie sie selbst. Als die Mamsell zahlte, erhielt Klara diesmal kein Draufgeld, war aber trotzdem zufrieden. Zwar war ihr Reff noch nicht viel leichter geworden, trotzdem hatte sie das Gefühl, als würde es sie weniger drücken.
»Gott befohlen!«, verabschiedete sie sich und ging zum nächstgelegenen Bauernhof weiter.
Der Bauer und sein Gesinde arbeiteten auf dem Feld. Nur die Bäuerin selbst, eine Küchenmagd und die alte Muhme befanden sich im Haus. Als Klara klopfte und eintrat, richteten sich deren Blicke verwundert auf sie.
»Gott zum Gruß. Ich bin Klara Schneidt und trage heuer die Arzneien des hochlöblichen Laboranten Rumold Just aus Königsee aus«, stellte Klara sich vor.
»Hat der junge Bursche, der letztes Jahr da war, die Lust verloren, so weit zu wandern?«, fragte die Bäuerin spöttisch.
Klara schüttelte den Kopf. »Mein Bruder ist ebenso spurlos verschwunden wie mein Vater. Ich befürchte, dass er Werbern in die Hände gefallen ist und diese ihn zu den Soldaten gepresst haben.«
»So was soll vorkommen! Dem Jüngsten des Untermeiers ist das auch zugestoßen. War aber das Beste, was ihm passieren konnte. Bei seinem älteren Bruder wäre er immer nur Knecht
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