Die Wanderapothekerin 2: Aufbruch (German Edition)
ab.
Als der Marktaufseher durch die Reihen ging und verkündete, dass die Zeit des Handelns vorbei wäre, zählte Klara ihr eingenommenes Geld und fand, dass sie, wenn sie das abzog, was sie Rumold Just für die Waren hatte bezahlen müssen, kaum mehr als die Marktabgabe verdient hatte. Sie konnte sich nicht einmal einen Krug Bier und den Eintopf mit zähem Hühnerfleisch leisten, den ihr die Wirtin am Abend zuvor vorgesetzt hatte. Dabei hatte sie einen Hunger, dass sie einen ganzen Laib Brot auf einmal hätte verschlingen können. Das Schlimmste aber war, dass Doktor Melampus, wie der Theriak-Händler sich nannte, sie nach Strich und Faden verspottete.
»Na, Jungfer, das war heute wohl nichts! Kein Wunder, dass die Königseer Laboranten heuer ein Frauenzimmer hierhergeschickt haben. Dachten wohl, ein Mann würde überhaupt nichts anbringen. Solltest lieber wieder nach Hause gehen und Kraut und Rüben pflanzen. Das kannst du gewiss besser als Leute auf einem Markt ansprechen.«
Das Gemeine war, dass der Mann nicht ganz unrecht hatte. Zu einer Marktschreierin fühlte Klara sich wahrlich nicht berufen. Traurig packte sie alles zusammen, stemmte dann ihr Reff auf den Rücken und nahm ihren Stock in die Hand. Ohne den Theriak-Händler noch einmal anzusehen, wandte sie sich dem Stadttor zu, durch das sie gestern gekommen waren.
Auf einmal ging Tobias neben ihr und feixte. »Zu dem ersten Ort auf deiner Strecke geht es dort hinten durch das andere Tor!«
Klara machte auf dem Absatz kehrt und ging in die genannte Richtung. Dabei versuchte sie, die Tränen zu unterdrücken, die in ihr hochsteigen wollten. Zwar hatte sie sich die Dörfer und Städte aufgeschrieben, durch die sie ziehen musste, aber bereits am ersten Tag versagt und dann auch noch vergessen, sich zu erkundigen, in welche Richtung sie gehen musste. Da war es kein Wunder, dass der Sohn des Laboranten sie auslachte. Er glaubte wohl auch nicht daran, dass sie den Weg ihres Vaters bewältigen würde. Doch da sollte er sich täuschen, schwor sie sich, und das galt auch für seinen Vater und alle anderen, die ihr nicht zutrauten, den Platz eines Wanderapothekers auszufüllen.
Kurz darauf erreichte sie das Tor und schritt an den Wachen vorbei ins Freie. Tobias blieb im Torbogen stehen. »Wir sehen uns in einer guten Woche in Bamberg wieder. Bis dorthin wünsche ich dir eine frohe Wanderung und ein gutes Geschäft!«
Ein leises Schnauben Klaras war die einzige Antwort, die er erhielt. Sie schritt weiter, bemüht, das schwere Reff im Gleichgewicht zu halten, und war im ersten Augenblick froh, allein zu sein. Bis Bamberg habe ich Zeit, sagte Klara sich. Bis dorthin würde sie beweisen, dass sie genauso viel leisten konnte wie ein Mann.
7.
K urz vor der Abenddämmerung erreichte Klara ihr erstes Ziel. Es handelte sich um ein kleines Dorf, das nur deswegen interessant war, weil der Gutshof eines großen Herrn das Zentrum bildete. Der Besitzer hielt sich nur selten hier auf, denn er verließ sich auf seinen Verwalter. Dessen Frau, das wusste Klara aus den Berichten ihres Vaters, hatte stets einige Heilmittel erworben.
Entsprechend hoffnungsvoll näherte sie sich dem stattlichen Gebäude und sah sich plötzlich von einem halben Dutzend Hunden umgeben, die sie wütend anbellten. Von ihrem Vater hatte Klara gehört, dass sie bei Hunden niemals Angst zeigen dürfe. Sie versuchte daher, mutig aufzutreten, und ging langsam weiter. Einige Tiere schnappten nach ihren Beinen, und zwei knurrten angriffslustig.
Da klang auf einmal eine scharfe Frauenstimme auf. »Harras, Hasso, Ajax, Aronde, zurück!«
Die Hunde ließen so schnell von Klara ab, dass diese fast an ein Wunder glaubte, und liefen schwanzwedelnd und winselnd zu der Ruferin.
Diese musterte Klara erstaunt. »Wer bist denn du?«
»Ich … ich bin Klara Schneidt aus Königsee und trage heuer für den Laboranten Just die Salben und Essenzen aus!« Inzwischen hatte Klara begriffen, dass es besser war, die Stadt als ihr Heimatdorf zu nennen.
»Schneidt! Bist du eine Verwandte von Martin Schneidt?«
Klara nickte. »Er ist mein Vater. Da er im vorletzten Jahr verschwunden ist und mein Bruder Gerold im letzten, habe ich heuer ihre Strecke übernommen.«
»Da hast du dir etwas aufgehalst!«, meinte die Frau und schüttelte den Kopf. »Der hübsche Bursche, der im letzten Jahr gekommen ist, war dein Bruder? Der soll auch verschwunden sein? Schade um ihn!«
»Ich nehme an, dass Soldaten ihn mitgenommen und in ihr
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