Die Wanderapothekerin 4: Gift (German Edition)
meinen Oheim aufsuchen wollte, um ihm meine Anteilnahme zu bekunden, überhäufte er mich mit Vorwürfen, dass ich um meines eigenen Ruhmes willen seinen Sohn hätte umkommen lassen.« Triberg verstummte einen Augenblick und kämpfte sichtlich mit seinen Gefühlen, bevor er weitersprach.
»Ich habe mich gegen diese Unterstellung verwahrt, doch Thomas war vor mir nach Hause zurückgekehrt und hatte mich bei meinen Verwandten verleumdet. In seinem Zorn verbot mir der Onkel, weiterhin den Namen Waldstein und den Grafentitel zu tragen, und wies mich von seinem Besitz.«
»Das ist eine üble Geschichte!«, fand Martha und dachte an den Vorkoster mit seiner Binde über dem linken Auge. Konnte er der Bursche des ältesten Grafensohns gewesen sein?
»Was wollt Ihr jetzt tun?«, fragte sie Triberg.
»Ich will denjenigen entlarven, der Gräfin Griselda das Gift beibringt. Den Arzt meines Oheims konnte ich davon überzeugen, dass ich unschuldig bin, und der nimmt an, dass die Morde mit Arsen ausgeführt wurden. Die Anzeichen gleichen denen einer Erkrankung der Lunge und des Herzens. Auch die Tatsachen, dass der Tod nicht sofort erfolgt und es zwischendurch so aussieht, als würde eine Besserung eintreten, sprächen dafür. Mit dem ersten Giftschub wird das Opfer so geschwächt, dass es lange Zeit dahinsiecht, mit einer weiteren starken Dosis wird es dann getötet. So war es bei meinem Oheim, meiner Tante und meinem Vetter. Das Gleiche hat der Mörder auch bei Gräfin Griselda vor. Er wird sie umbringen wollen, bevor sie ihr Kind zur Welt bringen kann.«
Martha nickte verstehend. »Das heißt, er wird nicht mehr lange zögern.«
»Das befürchte ich auch!«, erklärte Triberg. »Deshalb müssen wir rasch handeln. Irgendjemand im Schloss muss der Mörder sein.«
»Habt Ihr einen Verdacht?«, fragte Martha.
»Es könnte die Mamsell sein. Sie war in ihren jungen Jahren die Geliebte meines Oheims, doch auch die Zofe Emma darf nicht außer Acht gelassen werden. Sie ist nämlich mit meinen beiden Vettern ins Bett gestiegen. Selbst ich habe sie ein- oder zweimal besessen.«
»Aber deswegen bringt man doch niemanden um!«, fand Martha.
»Vielleicht gibt es einen Grund für sie, den wir nicht kennen.«
Martha schüttelte den Kopf. »Sie scheinen mir treu zu sein! Außerdem wollen beide nicht, dass Ihr der Erbe werdet.«
»Du sagst selbst, dass sie mich umbringen wollen. Vielleicht ist es das Ziel einer von beiden, die gesamte gräfliche Familie wegen irgendeiner Kränkung auszurotten! Außerdem sind sie die Einzigen, die das Schloss verlassen können, um sich das Gift zu besorgen.«
So leicht wollte Triberg sich nicht von seinem Verdacht trennen, doch Marthas Gedanken gingen ganz andere Wege.
»Die Mamsell und die Zofe überwachen einander gegenseitig. Irgendwann hätte die eine die andere erwischt.«
»Dann ist es der Koch! Auch er kann das Schloss verlassen, um einzukaufen.«
Martha hätte es gerne geglaubt, aber etwas sprach dagegen. »Die Speisen, die Ihre Erlaucht zu sich nimmt, werden nach dem Kochen vorgekostet. Der Koch hat danach keine Gelegenheit mehr, Gift hineinzutun.«
»Dann muss es tatsächlich die Mamsell oder die Zofe sein«, kam Triberg wieder auf seinen ursprünglichen Verdacht zurück.
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Martha. »Aber es gibt wohl keine andere Möglichkeit.«
»Vielleicht kannst du es herausbringen!« Triberg hatte wenig Hoffnung, doch diese junge Frau bot ihm die wahrscheinlich einzige Möglichkeit, etwas zu tun.
»Klara könnte es vielleicht. Sie ist sehr klug, müsst Ihr wissen. Aber ich kann erst morgen Vormittag wieder mit ihr sprechen«, antwortete Martha nachdenklich.
Triberg legte ihr die Hand auf die Schulter und sah sie zwingend an. »Versuche, noch heute mit ihr zu reden! Jede Mahlzeit, die Gräfin Griselda zu sich nimmt, kann ihre letzte sein.«
»Ich tue es!«, versprach Martha und blickte dann zum Himmel. »Jetzt aber muss ich mich beeilen. Wie kann ich Euch erreichen?«
»Als Kinder haben der älteste Sohn meines Oheims und ich uns eine Hütte im Wald gebaut. Sie liegt dort hinten in der Nähe eines Felsens. Wenn du dort nach mir rufst, werde ich es hören. Allerdings halte ich unter Tag das Schloss im Auge und wandere daher nahe am Waldrand herum. Auch von dort werde ich dich hören.«
Wie es aussah, machte Ludwig von Triberg sich große Sorgen um seine angeheiratete Verwandte. Martha verstand ihn jedoch. Wenn Gräfin Griselda und mit ihr das Kind
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