Die Wanderapothekerin 4: Gift (German Edition)
mit silbernen Schnallen.
»Was … was wollt Ihr, Herr?«, fragte sie stockend.
»Du bist doch erst gestern zum Schloss gekommen. Eine andere Frau war bei dir, mit einer Rückentrage. Was macht ihr dort?«
»Es wäre höflicher, wenn Ihr erst Euren Namen nennen würdet«, wies Martha ihn zurecht.
Der andere verzog kurz das Gesicht, nickte dann aber. »Ich tue es, aber sag du zuerst, wer du bist, und wer deine Begleiterin.«
»Ich bin Martha«, sagte die junge Frau in einem Ton, als müssten diese drei Worte alles erklären. »Meine Freundin heißt Klara Schneidt und ist eine Wanderapothekerin.«
»Darum hat der Drache, der dieses Schloss bewacht, euch eingelassen. Mich wundert es trotzdem, denn ihr könntet ja auch in meinen Diensten stehen.« Die Stimme des Mannes nahm einen bitteren Klang an, dann seufzte er und stellte sich vor.
»Ich bin Ludwig, Baron Triberg, und ein Neffe zweiten Grades des alten Grafen und ein Vetter desselben Grades des jungen Grafen.«
»Ihr seid Triberg?« Martha klang erschrocken.
Der Baron hob beschwichtigend die Linke. »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Ich tue dir nichts. Vielleicht kannst du mir sogar helfen.«
»Niemals!«
»Höre mir doch erst einmal zu!«, bat Triberg. »Die Sache sieht ganz anders aus, als du denkst. Ich habe mit all dem, was auf Schloss Waldstein geschehen ist und noch geschieht, nicht das Geringste zu tun. In den letzten drei Jahren habe ich unter dem Kommando des Herzogs von Marlborough und später unter Max Emanuel von Baiern in Frankreich und den Niederlanden gekämpft. Als ich nach Hause zurückgekehrt bin, musste ich feststellen, dass selbst gute Freunde von mir abrückten, weil sie mich verdächtigten, meinen Onkel und dessen Familie ausrotten zu wollen, um selbst der Erbe von Waldstein zu werden. Dabei habe ich erst an diesem Ort von dem Unglück erfahren, das ihnen widerfahren ist.«
Ihr Gefühl sagte Martha, dass der Mann die Wahrheit sagte. Sie musterte ihn genauer und las das Entsetzen in seinen Augen.
»Warum seid Ihr hierhergekommen?«, fragte sie ihn.
»Weil ich die Wahrheit in Erfahrung bringen will! Vielleicht bin ich an der Reihe, wenn dort niemand mehr von der Herrschaft lebt, denn als nächster Erbe könnte ich dem, der meine Verwandten getötet hat, ebenfalls im Weg sein.«
Tribergs Aussage hörte sich schlüssig an. Trotzdem gluckste Martha. »Nicht nur denen! Einige Leute im Schloss würden Euch ebenfalls gerne unter der Erde sehen.«
»Weil sie mich für den Mörder meiner Verwandten halten, nicht wahr?« Triberg stöhnte und strich sich mit der Linken nervös über das Gesicht. »Gräfin Griselda muss unbedingt gerettet werden, ebenso ihr Kind! Außerdem müssen wir den wahren Schuldigen entlarven. Nur auf diese Weise kann meine Ehre wiederhergestellt werden.«
»Und wer soll dieser wahre Schuldige sein?«, fragte Martha.
»Um das zu erkunden, brauchte ich die Stammbäume der Familie, die in Schloss Waldstein liegen. Mir selbst wurden sie nach meinem großen Streit mit dem Onkel vorenthalten.« Eine gewisse Bitterkeit, die auch nach Jahren noch nicht gewichen war, schwang in Tribergs Worten mit.
Martha hatte mit einem Mal das Gefühl, einen wichtigen Punkt zu erkennen. »Worum ging es eigentlich bei diesem Streit?«
»Das ist eine Sache, die ich nur ungern aufrühren will«, gab Triberg zurück.
»Wie soll ich Euch Glauben schenken, wenn Ihr mir wesentliche Dinge vorenthaltet?« Mittlerweile hatte Martha jede Angst verloren und genoss es, einen Mann von Adel tadeln zu können, ohne dafür Schläge zu erhalten.
Triberg überlegte kurz und nickte. »Wahrscheinlich hast du recht. Es ging um den Tod meines Vetters …«
»Der ist doch erst im letzten Jahr vergiftet worden«, rief Martha aus.
»Nein, um seinen älteren Bruder! Mein Onkel hatte noch einen Sohn, und wir beide waren Kameraden im Krieg. Auf einem Feldzug wurde er verwundet, und ich musste ihn mit seinem Burschen Thomas zurücklassen und mit dem Heer weiterziehen. Als ich zu unserem Stützpunkt zurückkehrte, war mein Vetter tot. Von anderen Offizieren habe ich erfahren, dass Thomas sich kaum um ihn gekümmert und meistens im Wirtshaus herumgelungert hätte. Daraufhin stellte ich den Burschen zur Rede, und er antwortete mir frech.
Außer mir vor Wut, habe ich zugeschlagen und bedauerlicherweise sein linkes Auge so getroffen, dass er auf dieser Seite blind wurde. Danach habe ich mich wieder dem Heer angeschlossen. Als ich nach dem Ende des Feldzugs
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