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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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großen Krug von deinem Besten und zwei Becher.«
    Dem Anblick der guten Silberstücke vermochte der Schenk nicht zu widerstehen.
    »Setzt euch dort drüben hin.« Er wies auf eine Bank, die etwas abseits von den anderen stand.
    Marie und Meister Jörg war es ganz recht, da sie sich ungestört unterhalten wollten, und so nahmen sie den randvoll mit bestem Rheinwein gefüllten Krug und zwei Becher entgegen und schritten gedankenverloren zu dem ihnen zugewiesenen Platz.
    Jörg Wölfling prostete Marie mit traurigem Lächeln zu. »Es ist wirklich Zufall, dass wir uns getroffen haben. Ich wäre nie hierher gekommen, wenn der Kaiser nicht jenes Konzil nach Konstanz einberufen hätte. Dadurch müssen wir mehr Fässer liefern, als wir herstellen können, und so hat die Konstanzer Böttchergilde mich gebeten, diese Reise zu unternehmen und mit den hiesigen Böttchern zu verhandeln, damit sie uns zuliefern.«
    Marie nickte freundlich, auch wenn sie sich nicht für die Probleme der Konstanzer Böttcherzunft interessierte. »Sicher ist es Zufall. Eine Frau meines Standes ist nirgends zu Hause und weiß meist nicht, wo sie sich am Abend zur Ruhe betten kann. Aber erzähl doch, Meister Jörg, wie geht es meinem Onkel?«
    Jörg Wölfling hob in einer unbestimmten Geste die Hände. »Er ist gesund, und geschäftlich geht es ihm wieder besser, seit bekanntgeworden ist, dass der Kaiser die drei Päpste nach Konstanz befohlen hat und die Belange der Christenheit in unserer Stadt regeln will.«
    »Es ist ihm früher doch auch nicht schlecht gegangen.«
    Meister Jörg seufzte tief. »Das war vor deinem Unglück. Dann aber sah es eine Weile schlimm für ihn aus, denn die Prozesse gegen den Magister Ruppertus Splendidus haben ihn beinahe ruiniert. Du kannst ja nicht wissen, dass dein ehemaliger Bräutigam sich mit Hilfe eines bischöflichen Gerichts den gesamten Besitz deines Vaters angeeignet hat. Mombert hat dreimal gegen ihn prozessiert und jedes Mal verloren. Zuletzt hat er noch versucht, die Mitgift deiner Mutter zurückzuholen, doch Ruppert hat immer wieder neue Dokumente vorgelegt, mit denen er Momberts Ansprüche zurückweisen konnte.«
    Marie hätte ihm sagen können, dass sie das kaum verwunderte, denn sie hatte genug über die Art und Weise erfahren, mit der Ruppert gegen seine Gegner vorging. Aber sie hatte nicht vor, den Böttcher darüber aufzuklären, sondern fragte einfach weiter. »Was weißt du über meinen Vater? Damals hatte ich gehofft, er würde mir folgen und mich aus dem Straßengraben auflesen.«
    Gespannt sah sie ihn an, denn sie hoffte immer noch ein wenig, dass der Schafscherer Giso belogen hatte, um genügend Wein aus ihm herauszulocken.
    Meister Jörg breitete hilflos die Hände aus. »Es tut mir furchtbar Leid für dich, mein Kleines! Niemand hat deinen Vater seit jenem schrecklichen Tag gesehen. Magister Ruppertus hat behauptet, Matthis Schärer hätte ihm seinen gesamten Besitz überlassen und sei ins Heilige Land gezogen, um für deine Sünden zu büßen. Andere haben erzählt, er sei auf Pilgerfahrt nach Rom oder nach St. Jakobus in Spanien gegangen, und es gab noch welche, die berichtet haben, sie hätten ihn irgendwo in Flandern getroffen, immer noch auf der Suche nach dir.
    Im letzten Herbst ist ein Mann nach Konstanz gekommen, dersteif und fest behauptet hat, deinen Vater in Jerusalem getroffen und von ihm den Auftrag bekommen zu haben, Grüße an seine Verwandten zu überbringen. Meister Mombert nahm ihn bei sich auf, um mehr zu erfahren. Doch als der Kerl begann, lange Finger zu machen und Momberts Tochter nachzustellen, jagte dein Oheim ihn fort. Ich persönlich glaube auch nicht, dass der Mann von deinem Vater geschickt worden ist. Dafür klang seine Geschichte zu unglaubwürdig. Ich halte mich mehr an das, was der Schafscherer Anselm erzählte, bevor er im Rhein ertrank.« Marie fühlte, wie sich ihr Magen schmerzhaft zusammenzog.
    »Anselm ist tot?«
    »Ja, aber das musste ja so kommen. Ein paar Fuhrleute haben sich einen Spaß gemacht, ihn mit Wein abzufüllen. Auf dem Weg nach Gottlieben ist er dann in den Rhein gestürzt. Wenn seine Leiche nicht wieder angetrieben worden wäre, hätte man nicht gewusst, was aus ihm geworden ist. Es heißt, er soll kurz vorher noch einem Fremden erzählt haben, er hätte geholfen, deinen Vater in einem Armengrab zu beerdigen. Marie, Mädchen, es tut mir so Leid für dich, aber ich fürchte, der alte Trunkenbold kann die Wahrheit gesagt haben.«
    Marie holte

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