Die Wanderhure
vorgeschlagenen Weg Gefahr liefen, zwischen die streitenden Parteien zu geraten.
Gerlind winkte jedoch verächtlich ab. »Das ist doch nur dummes Gerede. Gäbe es dort wirklich eine Fehde, hätten wir spätestens hier in Wallfingen davon erfahren. Ich sage, wir ziehen auf geradem Weg zum Rhein. Dann kommen wir früh genug an, um die Schwarzwaldflößer abzupassen, die ihre Stämme vorbeitreideln. Denen sitzt das Silber, das sie von ihren Dienstherren bei Antritt der Reise als Vorschuss erhalten haben, noch locker im Beutel, und sie werden froh sein, sich bei uns von ihrer harten Arbeit erholen zu können. Wenn wir den Weg am Neckar entlang nehmen, sind die Flößer längst oben in Köln und geben ihr Geld bei den dortigen Huren aus.«
Berta plusterte sich auf und versuchte, auf Hiltrud herabzusehen, was wegen des Größenunterschieds eher lächerlich wirkte. »Ich stimme Gerlind zu. Fita und Märthe tun es auch. Damit sind wir zu viert gegen dich.«
»Gegen mich und Marie, die ebenfalls von der Fehde gehört hat und meiner Meinung sein dürfte«, antwortete Hiltrud mit verkniffener Miene und sah sich nach ihrer Freundin um. Doch die war nirgends zu sehen. So gab sie schließlich nach. »Also gut, ziehen wir die Enz hoch. Ich hoffe, es geht alles gut.«
»Warum sollte es nicht?«, fragte Berta spöttisch. »Wenn uns ein Kerl zu nahe kommt, ziehe ich ihm mit meinem Haumesser einen Scheitel, dass er das Aufstehen bis zum Jüngsten Tag vergisst.« Sie holte ihre Waffe hervor und fuchtelte damit unter dem Gelächter der anderen vor Hiltruds Gesicht herum.
Hiltrud wich unwillkürlich zurück, was Gerlind noch mehr zum Lachen reizte. »Siehst du«, sagte sie, während ihr Bauch und ihr Busen vor Vergnügen hüpften. »Sechs zu allem entschlossene Weiber wie wir brauchen sich nicht einmal vor dem Herrgott zu fürchten.«
Fita wurde schlagartig ernst und schlug das Kreuz. Dann faltete sie die Hände und bat Gott wegen dieser Lästerung um Verzeihung. Berta trat neben sie und knuffte sie so heftig, dass sie vornüber ins Gras stürzte. »Jetzt tue nicht so, als verstünde Gott keinen Spaß. Der ist gewiss nicht so streng mit uns armen Huren, wie die Pfaffen es uns weismachen wollen. Hast du immer noch nicht begriffen, dass die uns nur deswegen so viel über die Hölle erzählen, damit sie uns kostenlos unter den Röcken besuchen können?«
Fita öffnete den Mund, um zu einer ihrer religiösen Tiraden anzusetzen, doch Gerlind schnauzte sie an: »Siehst du nicht, dass da ein paar Kerle herumlungern, denen die Schwänze jucken? Mach, dass du einen von ihnen abschleppst, sonst wirst du in den nächsten Wochen keinen Groschen mehr in einen Opferstock werfen oder eine Kerze für die Jungfrau Maria stiften. Du hast in der letzten Zeit zu wenig verdient, und ich habe nicht vor, dich durchzufüttern.«
Die arme Fita kam schwankend wieder auf die Beine, wischte sich mit dem Rocksaum die Tränen aus dem Gesicht und lief zu den drei Männern hinüber. Zwei von ihnen schenkten ihr nur einen verächtlichen Blick und starrten begehrlich auf Marie, die den anderen Huren den Rücken gekehrt hatte und die Ziegen fütterte. Der dritte verglich Angebot und Preis miteinander undließ sich von Fita zu ihrem Zelt führen. Kurz darauf scholl ein lautes Stöhnen und Ächzen heraus.
»Wenn der Kerl so rammelt, wie er brüllt, besorgt er es Fita ja richtig«, spottete Berta und ging dann hüftschwingend auf die beiden Begleiter des Mannes zu. Auf einen Wink Gerlinds bot Märthe sich dem dritten an.
Hiltrud widerte die Art der vier Huren an. So, wie sie sich benahmen, minderten sie ihren Wert und waren selbst schuld, dass die besseren Kunden sie mieden, als hätten sie die Seuche. Sie selbst war an diesem Tag so heikel gewesen, dass sie noch nicht einmal das Notwendigste verdient hatte. Trotzdem sah sie sich nicht nach einem neuen Freier um, sondern setzte sich zu Marie ins Gras und streichelte ihre Ziegen.
»Bis zum Rhein werden wir noch bei Gerlinds Gruppe bleiben müssen, aber dann gehen wir unserer eigenen Wege, das schwöre ich, und wenn wir dafür mit sämtlichen Knechten eines Wagenzugs schlafen müssen«, erklärte Hiltrud ihrer Freundin und berichtete ihr, welchen Weg Gerlind einzuschlagen gedachte.
Marie hörte jedoch nur mit halbem Ohr zu. »Mir ist gleich, wohin wir gehen. Hauptsache, wir kommen in eine Gegend, in der wir die vier loswerden können.«
VII.
A m nächsten Morgen brachen die sechs Huren mit dem Morgengrauen auf.
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