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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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die lieber anderen die Kehle durchschnitten, als ehrlicher Arbeit nachzugehen. Selbst im flackernden Licht der Fackeln war zu erkennen, dass ihre Ausrüstung alles andere als einheitlich war. Auch trugen sie kein Wappen auf ihren Waffenröcken, gehörten also nicht zum Heereszug eines höheren Herrn. Bei einigen war ein Fleck auf der Brust weniger ausgebleicht als der Rest des Stoffes, so als hätten sie sich des Dienstes bei einem früheren Herrn ebenso entledigt wie dessen Abzeichen.
    Marie konzentrierte alle Sinne auf ihre Flucht, aber in dem Moment, in dem sie dem Schein der Fackeln entkommen war und sich umdrehen wollte, um in dem tintig schwarzen Gebüsch unterzutauchen, griff ein Bär von einem Mann nach ihr und presste sie lachend an seine Brust. »Hier ist das Täubchen für unserenRitter, Lothar! Jetzt bist du mir etwas schuldig«, rief er dem Vierschrötigen zu.
    Gerlind, die ihren folgenschweren Irrtum erkannt hatte, versuchte noch, zu verhandeln. »Geht doch nicht so grob mit uns um, Männer. Wir haben ja nichts dagegen, für euch die Beine breit zu machen. Das Vergnügen kostet nur ein paar Pfennige, und wir werden dafür sorgen, dass jeder von euch zufrieden gestellt wird.« Obwohl sie sich bemühte, munter zu klingen, schwang eine gehörige Portion Angst in ihrer Stimme.
    Einer der Männer begann schallend zu lachen. »Wenn du noch einen Heller in unseren Beuteln findest, Alte, hast du Glück. Unser Handgeld ist längst versoffen und verhurt. Aber wir werden es euch trotzdem so besorgen, dass ihr euch nicht zu beklagen braucht, meint ihr nicht auch, Leute?« Er blickte die Umstehenden grinsend an und erntete eifriges Nicken.
    Die Männer schleiften die protestierenden Huren in ihr Lager, das von einem großen Feuer in der Mitte des Platzes nur unzureichend ausgeleuchtet wurde. Marie, die wie ein Gepäckstück mitgeschleppt wurde, konnte sehen, dass zwei mit Fässern und Kriegsgerät hoch beladene Wagen und ein weiterer, auf dem zwei zerlegte Geschütze lagen, zu einer Art Windschutz aufgestellt worden waren. Direkt vor dem Geschützwagen stand ein Zelt, das vermutlich für die Anführer gedacht war, denn die Söldner hatten sich ihre Betten unter freiem Himmel aus Decken und Mänteln hergerichtet.
    Huren wurden unterwegs immer wieder vergewaltigt, das hatte Marie oft genug gehört. Sie selbst hatte bisher Glück gehabt, doch wie es aussah, war es damit vorbei. Jetzt galt es, sich an die Lehren zu erinnern, die Gerlind ihr in besseren Zeiten beigebracht hatte. Wenn es keinen Ausweg mehr gab, war Widerstand sinnlos. Die Männer wurden höchstens zornig und schnitten einem, wenn man Pech hatte, zuletzt noch die Kehle durch.
    Als die Eingangsplane des Zeltes hochgeschlagen wurde undein junger Mann in der Kleidung eines Edelmanns den Kopf herausstreckte, begann sie zu hoffen, dass es weniger schlimm würde als befürchtet.
    »Was soll der Aufruhr?«, fragte er scharf.
    »Wir haben Besuch bekommen«, antwortete ihm ein Söldner grinsend. »Uns sind ein paar Huren in die Hände gelaufen, bei denen kein Hahn danach kräht, ob wir sie für das, was wir heute Nacht mit ihnen anstellen, bezahlen werden oder nicht.«
    »Wir wollen kein Geld, nur seid nicht so grob zu uns!«, rief Märthe und kreischte auf, weil ihr einer der Kerle mit der Hand zwischen die Beine gefahren war.
    Der Söldner grinste noch breiter. »Wir haben ein Täubchen für Euch reserviert, Junker Siegward. Etwas ganz besonders Hübsches, das Euch gewiss munden wird.«
    Marie erschrak, als sie den Namen hörte, denn sie wusste nun, wem sie in die Hände gefallen waren. Die Ritter der Riedburg waren dafür bekannt, dass sie alle einen Namen trugen, der mit der Silbe Sieg begann. Der alte Siegbald von Riedburg war der erklärte Feind von Frau Mechthilds Verwandten auf Burg Büchenbruch und als übler Strauchritter bekannt, und seine Söhne hatten einen mindestens ebenso schlechten Ruf. Wenn der Mann da erfuhr, dass sie den Winter über auf Burg Arnstein verbracht hatte, würde er seine Wut auf Frau Mechthild, die ihren Verwandten schon mehrmals Hilfe gegen die Riedburger geschickt hatte, an ihr auslassen. Dann konnte sie froh sein, wenn er sie schnell tötete und nicht etwa bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt im Wald zurückließ, den Wölfen und Bären zum Fraß.
    Siegward von Riedburg leckte sich die Lippen und musterte sie wie ein Schlachtkalb. Er war groß und breitschultrig und besaß jene Reckengestalt, um die Ritter Dietmar ihn gewiss

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