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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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eine fieberhafte Erregung. Die Spuren verhießen ihnen einen großen Kaufmannszug, und bei einem solchen gab es genug Männer, die ihre Prämien und ihren Lohn gerne für Frauen ausgaben. Daher ließ Gerlind nicht wie sonst am späten Nachmittag einen Lagerplatz suchen, damit die Gruppe noch bei Tageslicht die Zelte aufschlagen und Feuerholz sammeln konnte, sondern beschleunigte ihren Schritt und feuerte ihre Begleiterinnen an.
    »Der Wagenzug ist uns höchstens eine Stunde voraus. Wenn wir uns beeilen, sitzen wir bald am warmen Feuer, einen Becher Wein in der Hand …«
    »Und einen strammen Männerknüppel zwischen den Beinen«, fiel Berta ihr kichernd ins Wort.
    Die von Gerlind geschätzte Stunde war längst vergangen, und die Dunkelheit breitete sich über das Land aus, als ihnen ein hoch aufloderndes Feuer den Weg wies. Gerlind zeigte triumphierend in die Senke hinab, die sie im schwindenden Licht mehr erahnen als sehen konnte. »Dort sind sie. Gleich werden ihre Silberfüchse in unseren Taschen klimpern.«
    Zu Maries Überraschung rannte sie jedoch nicht schnurstracks hin, sondern blieb an dem Bach stehen, der neben der Straße floss, beugte sich nieder und wusch sich Gesicht und Hände. Dann tauchte sie einen Lappen ins Wasser, hob den Rock und rieb sich zwischen den Schenkeln ab. Mit einem Lachen, das wie das Meckern der Ziegen klang, wies sie Berta und Märthe an, es ihr gleichzutun. »Man muss sein Handwerkszeug in Ordnung halten, wenn man gut verdienen will.«
    »Daran sollten sie sich öfter halten«, wisperte Hiltrud Marie insOhr, trat ebenfalls ans Wasser und zog das Kleid aus, um sich zu waschen. Marie tat es ihr gleich, denn sie wollte nicht staubig und nach Schweiß riechend am Feuer ankommen.
    Als sie weiter unten von der Straße abbogen, hallten ihnen laute Geräusche und Stimmen entgegen, so als würde vor ihnen ein Gelage stattfinden. Marie blieb misstrauisch stehen und horchte. Sie war in den letzten Jahren vielen Wagenzügen begegnet und hatte in deren Nähe übernachtet. Diese Geräusche waren ungewohnt. Auch war es seltsam, dass die Leute nicht bei einer Herberge, sondern mitten im Wald lagerten. Händler und Fuhrleute zogen möglichst von Herberge zu Herberge, denn unter freiem Himmel wurden sie leicht zur Beute einer entschlossenen Räuberbande und liefen überdies noch Gefahr, von den Rittern der umliegenden Burgen überfallen und ausgeraubt zu werden. In der Nacht, wenn keine Zeugen den Überfall bekunden konnten, nützte der für teures Geld erstandene Geleitbrief den Kaufleuten nichts.
    Marie versuchte noch, die anderen Frauen zurückzuhalten. Doch es war zu spät, die Begegnung zu vermeiden, denn Gerlind und Berta wurden bereits von einer rauen Männerstimme angerufen.
    »He, was macht ihr Weiber nach Anbruch der Nacht noch auf der Straße?« Zwei Männer kamen mit Fackeln in den Händen auf die beiden Frauen zu und entdeckten jetzt auch den Rest der Gruppe.
    »Das sind ja Huren!«, rief der zweite jubelnd aus, drehte sich um und winkte mit der Fackel zum Lager hinüber. »Männer, der Abend ist gerettet. Holt eure Schwänze heraus! Hier sind Huren im Anmarsch.«
    Ein vielstimmiger Jubel antwortete ihm, und mehr als drei Dutzend Männer quollen den Frauen entgegen. Einige leuchteten mit Fackeln, während die anderen sie ungeniert packten, abtasteten und sie in Hintern und Brüste kniffen.
    »Lass das!« Marie schlug einem der Kerle, der es zu toll trieb, wütend auf die Hand. Er fasste sie mit einem schmerzhaften Griff am Kinn und zwang sie, ins Licht zu blicken.
    »Das ist ja ein verdammt hübsches Vögelchen. Ich glaube, das werde ich mir gleich zu Gemüte führen.« Er wollte Marie zu Boden werfen, doch da legte ihm ein vierschrötiger Kerl die Hand auf die Schulter.
    »Bei dem Täubchen wird dir deine Pfeife trocken bleiben. So etwas Feines ist für die Herren. Oder glaubst du, die würden auf ihren Spaß verzichten wollen?«
    Als der Mann sie mit einem enttäuschten Schnauben losließ, wanderte Maries Hand unter ihren Rock und legte sich um den Griff ihres Messers. Sie versuchte, unauffällig zurückzuweichen und im Gebüsch unterzutauchen, in der Hoffnung, sich im Schutz der Dunkelheit davonschleichen zu können. Gerlind hatte sie direkt in ein Söldnerlager geführt, und Marie wusste aus Erzählungen anderer Huren, was sie zu erwarten hatten.
    Was sich hier herumtrieb, waren Kriegsknechte der übelsten Sorte, Schweizer Reisläufer, schwäbische Lanzenträger und Leute vom Strom,

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