Die Wanderhure
Nacht aufgehalten hatte, noch kahl und daher kein Hindernis für suchende Blicke war. Dahinter erstreckte sich ein lichter Eichen- und Buchenwald, den Reiter ohne Probleme durchqueren konnten, und Berta glaubte sogar, einen Weg zu erkennen, der durch ihn hindurch führte. Als kurz darauf ein Klingeln und Klappern ertönte, waren sie und Gerlind nicht mehr zu halten.
»Das hört sich nach einem Schweinehirten an, der seine Herde in unsere Richtung treibt. Wenn der uns sieht und uns an die Riedburger verrät, geht es uns schlecht.« Gerlind hob ihren Packen auf und wollte loslaufen, doch Hiltrud hielt sie zurück.
»Marie und ich haben Fita die halbe Nacht lang gestützt. Jetzt seid ihr an der Reihe.«
»Wir sollten sie ein Stück weiter im Gebüsch verstecken. Dort findet sie bestimmt niemand, und wir sind sie los. Ich schleppe mich nicht mit ihr ab.« Berta schob den Unterkiefer vor und stemmte die Arme herausfordernd in die Seite.
Gerlind bedachte sie mit einem verächtlichen Blick und forderte Märthe auf, ihr zu helfen. Hiltrud fasste ebenfalls mit an, während Marie vorausging und ihnen mit einem Stock den Weg bahnte. Berta hingegen stapfte mit mürrischem Gesicht hinter ihnen her und war erst auf Gerlinds scharfen Zuruf hin bereit, allzu auffällige Spuren mit Birkenreisig zu verwischen. So wanderten sie stundenlang weiter und wussten zuletzt nicht mehr, aus welcher Richtung sie eigentlich gekommen waren.
Als der Tag sich neigte, fand Marie einen Platz, der allen sicher genug erschien. Es war ein Windbruch, in dem ein Sturm vor vielen Jahren hohe Bäume wie Gras niedergemäht hatte. Mittlerweile war junger Wald nachgewachsen, doch zu seinen Füßen war das Gestrüpp so dicht, dass kein vernünftiger Mensch versuchen würde, dort einzudringen. Hiltrud und Gerlind untersuchten die Ränder auf Bärenspuren, trafen zu ihrer Erleichterung aber nur auf einen Wildwechsel, der in das Jungholz hineinführte. Die sechs folgten dem kaum sichtbaren Pfad und fanden einen trockenen Platz unter zwei riesigen, übereinander liegenden Baumstämmen, der sich als Lager eignete.
Marie und Gerlind errichteten aus Moos und Zweigen ein Lager für Fita und kümmerten sich um die Verletzte. Ihr Unterleib sah immer noch schlimm aus, wenn die Blutung auch mittlerweileaufgehört hatte, und ihr Bauch fühlte sich heiß an und war steinhart.
Mit einer hilflosen Geste winkte Marie Hiltrud zu sich. »Meinst du, wir können ihr helfen?«
»Das sieht nicht gut aus. Aber ich habe meine Salben und Tinkturen dabei. Vielleicht bewirken sie noch etwas.« Hiltrud holte ihre Medikamente hervor und begann Fita zu verarzten.
Unterdessen redete Berta leise, aber eifrig auf Gerlind und Märthe ein und kam schließlich mit ausgestreckter Hand auf Marie zu.
»So, jetzt werden wir unsere Beute teilen. Gib die Börsen her!«
Marie legte die Hand auf die beiden Lederbeutel und wollte Berta schon sagen, sie solle sich zum Teufel scheren. In diesem Augenblick bedauerte sie, das Geld nicht auch noch versteckt zu haben. Nun blieb ihr nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen, denn Berta und Gerlind würden ihr keine Ruhe lassen, bis sie sie ausgeplündert hatten.
»Wir können das Geld aufteilen, aber nur unter einer Bedingung: Wir bleiben ein paar Tage in diesem Versteck, jedenfalls so lange, bis wir sicher sein können, dass die Söldner weitergezogen sind.«
Gerlind winkte ärgerlich ab und setzte sich dicht vor Marie. »Ja, ja, das tun wir schon. Gib jetzt endlich her.«
Marie schüttelte den Kopf, dass ihre Haare flogen. »Ich muss erst einmal zählen, wie viel ich erbeutet habe, und dann rechne ich aus, welcher Anteil jeder von uns zusteht.«
Berta zischte wie eine Schlange, rückte ebenfalls an Marie heran und griff nach einer der Börsen. »Jede von uns bekommt natürlich das Gleiche.«
Marie stieß sie weg. »Hiltrud hat ihre Ziegen und ihren Wagen verloren. Ihr steht also mehr zu als uns anderen.«
»Und du bekommst einen zusätzlichen Anteil, weil du das Geld besorgt hast.« Hiltrud war sonst eher freigebig, doch die Gier der früheren Freundinnen stieß sie ab.
Berta zog sich schmollend ein Stück zurück, ließ aber Maries Gürtelnicht aus den Augen. »Na, von mir aus. Dafür braucht ihr ja Fita nicht zu berücksichtigen, denn die macht es eh nicht mehr lange. Nachher bringt sie es noch fertig, ihren Anteil in den Opferstock der nächsten Kirche zu werfen, bevor sie endgültig abkratzt.«
»Fita bekommt ihren
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