Die Wanderhure
sofort wieder. »Gut gemacht. Jetzt müssen wir wirklich schleunigst weg, denn wenn das entdeckt wird, schneiden die Kerle uns in kleine Stücke.«
Mit einer müden Bewegung streifte sie die Reste ihres Kleides über, das sie hinter sich hergeschleift hatte. »Los, Marie, such die anderen. Ich sortiere inzwischen ein paar Sachen von unserem Wagen aus, die wir auf dem Rücken mitschleppen können, denn leider werden wir den größten Teil unserer Habe zurücklassen müssen.«
»In Ordnung.« Marie ging auf das Schluchzen zu, das sie die ganze Zeit über gehört hatte. Sie fand Märthe hinter einem der großen Wagenräder. Da sie nicht auf ihr Kommen reagierte, sondern nur noch lauter schluchzte, schüttelte Marie sie und herrschte sie an, sich zusammenzunehmen. Doch erst als Gerlind wie ein bleiches, hageres Gespenst auf sie zuwankte, beruhigte sich Märthe so weit, dass sie aufstehen und die Fetzen zusammensuchen konnte, die einmal ihr Kleid gewesen waren.
Gerlind sagte nichts, doch die wütenden Fußtritte, mit denen sie einige der betrunkenen Schläfer bedachte, zeigte, dass ihre Wut größer war als ihre Vorsicht. Ihr Kleid war so zerrissen, dass es sich nicht einmal mehr für eine Vogelscheuche eignete. Da sie jedoch kein anderes besaß, knotete sie die Reste zusammen und fluchte. Gerlinds Gekeife lockte Berta an, die völlig nackt war und mit einem brennenden Span die herumliegenden Söldner ableuchtete. Bald hatte sie einen Kerl gefunden, der so breit war wie sie selbst, zog ihm das Hemd aus und streifte es über.
»So schlimm bin ich nicht einmal hergenommen worden, als ich noch Trosshure war«, keifte sie und baute sich vor Gerlind auf. »Das war ja eine grandiose Idee von dir, uns in ein Söldnerlagerzu führen. Du bist mir eine schöne Anführerin! Ab jetzt gebe ich den Ton an, verstanden?«
Gerlinds Gesicht verzerrte sich zu einer wütenden Grimasse. Sie wehrte sich jedoch nicht gegen die Anklagen, mit denen Berta sie überschüttete, sondern schlug ihr beinahe demütig vor, die schlafenden Söldner nach Wertgegenständen abzufingern. Marie drehte den drei zeternden Frauen den Rücken zu und gesellte sich zu Hiltrud, die ihr Gepäck ausgebreitet hatte und im Schein eines brennenden Astes die Sachen auswählte, die sie mitnehmen konnte. Marie nahm ebenfalls den notwendigsten Teil ihrer Habe an sich. Den Rest versenkten sie zusammen mit dem Wagen in einem Sumpfloch hinter dem Lager. Dabei stießen sie auf Fita, die wohl versucht hatte, zum Wasser zu kriechen, und hilflos im Schilf liegen geblieben war.
Fita wimmerte nur und reagierte nicht auf Hiltruds Aufforderung, sich zusammenzureißen und aufzustehen. Als Marie sich zu ihr niederbeugte und sie berührte, hob sie leicht den Kopf.
»Lass mich sterben.«
»Du wirst doch jetzt nicht schlappmachen wollen, Fita«, antwortete Marie mit gespielter Munterkeit und bot ihr die Hand zum Aufstehen. Doch die Frau rollte sich nur kraftlos zusammen.
Hiltrud sah sich nach Fitas Kleid um. Da sie es nicht fand, hob sie einen Stock auf, über den sie gestolpert war, stieß ihn in die nur noch schwach glimmende Glut des Lagerfeuers und blies, bis die Spitze Feuer gefangen hatte. Damit kehrte sie zu Fita zurück. Im Schein der Flammen konnten sie und Marie sehen, wie schlimm Fita zugerichtet worden war. Ihr ganzer Unterleib klebte von Blut, und als sie sie aufrichteten, rann ein dünner roter Faden an ihrem Schenkel herab.
Hiltrud schüttelte eine Faust gegen das Lager. »Ich sagte ja, das waren keine Menschen mehr, sondern Bestien. Hoffentlich holt sie bald der Teufel!« Gemeinsam mit Marie trug sie Fita zum Bach, der in den versumpften Weiher mündete, und wusch sie.
»Schade, dass wir unseren Wagen schon versenkt haben«, sagte Hiltrud. »Jetzt hätten wir den Kittel, den wir ausgesondert haben, gut brauchen können.«
»Ich kann ihr meinen Ersatzkittel geben«, bot Marie an.
»So wie die aussieht, braucht sie kein Kleid mehr. Die kratzt eh bald ab«, ertönte Bertas Stimme hinter ihnen. Sie war mit Gerlind und Märthe ebenfalls ans Wasser gekommen und wusch sich, wie Marie und Hiltrud es noch nie gesehen hatten. Sie benutzte sogar einen abgerundeten Stein, um den an ihr klebenden Dreck und die Spuren der Söldner zu entfernen. Zuletzt spülte sie sich gründlich den Mund aus.
»Ich habe ja nichts dagegen, einem Kerl einen zu blasen, wenn er gut dafür zahlt. Aber das war die Hölle.«
Ein bösartiger Blick traf Marie, die eben die Fackel hochhielt, um
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