Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
würde.
    Während sie ihr Kleid mit Streifen zusammenband, die sie von dem Hemd des Ritters abriss, und es mit anderen Lappen so gut es ging säuberte, steigerte sie sich in einen kaum noch zu ertragenden Hass hinein. Sie war nahe daran, den drei Männern um sie herum die Kehle durchzuschneiden, und suchte das Messer, dessen Scheide Siegward von ihrem Bein abgerissen hatte. Sie wog es in der Hand und fuhr mit der Fingerspitze über die scharfe Schneide. Als sie sich Gilbert näherte, fiel ihr der prall gefüllte Geldbeutel auf, der auf seinem offenen Hosenschlitz lag.
    Inzwischen hatte sich ihre Wut etwas abgekühlt, und sie scheute sich, Hand an die Kerle zu legen. So begnügte sie sich damit, dem Büchsenmeister die Geldbörse abzuschneiden. Auch Siegerichsum einiges schwächer gefüllter Beutel ging in ihren Besitz über. Etwas länger dauerte es, die Börse Siegward von Riedburgs von seinem Gürtel zu lösen, denn sie war mit breiten, harten Lederstreifen befestigt. Als Marie den Riemen aufnestelte, der die Ledertasche verschloss, vergaß sie beinahe ihr Elend. Hatten die beiden anderen Männer durchaus ansehnliche Summen in guten Silbermünzen und kleineren Goldstücken bei sich gehabt, so glänzten ihr hier goldene Dukaten und Gulden von beträchtlichem Wert entgegen. Es war genug Geld, um sogar einem Edelmann einen Meuchelmörder auf den Hals zu hetzen, geschweige denn einem Bastard wie Ruppert.
    Marie ballte triumphierend die Fäuste. Wenn ihr dieses Geld zur Rache verhalf, so hatten sich die Schmach, die Angst und der Schmerz, den sie an diesem Abend hatte ertragen müssen, auf unerwartete Weise gelohnt. Sie hob ihr Kleid und machte sich einen Gürtel mit lang herabhängenden Bändern, an die sie Siegwards Geldkatze, ihr eigenes Säckchen mit den württembergischen Hirschgulden und Meister Jörgs Geldbeutel befestigte. Sie band alle drei Börsen zusätzlich mit Stoffstreifen an ihre Oberschenkel, so dass sie nicht schlenkerten und sich durch ihr Klirren verrieten. Später würde sie Taschen in ihren Rock nähen, so dass sie Kunden bedienen konnte, ohne die Börsen vorher abnehmen und verstecken zu müssen. Die Beutel Gilberts und Siegerichs hing sie zu ihrer eigenen, nur mit Pfennigen gefüllten Geldbörse an den Gürtel. Deren Inhalt würde sie mit den anderen teilen, denn diese hatten ihrer Ansicht nach ebenfalls eine Entschädigung für diese Nacht verdient.

VIII.
    E s vergingen noch Stunden, bis der letzte Söldner dem Wein und den Ausschweifungen Tribut zollen musste. Marie durchlebtejeden Augenblick davon voller Angst, ihre eigenen Peiniger könnten inzwischen aufwachen und entdecken, dass sie sie beraubt hatte. Was dann geschehen würde, wollte sie sich gar nicht erst ausmalen. Das Glück blieb ihr jedoch hold. Siegward von Riedburg, sein Bruder und der von ihnen angeheuerte Büchsenmeister schnarchten schier um die Wette. Als es draußen still wurde und nur noch das unterdrückte Schluchzen einer Frau hereindrang, löschte Marie den Docht der Öllampe und verließ vorsichtig das Zelt.
    Das Lagerfeuer war bis auf wenige rot glühende Reste niedergebrannt, und der Mond stand nur als schmale Sichel am sternklaren Himmel, so dass Marie Mühe hatte, einen Schritt vor den anderen zu setzen. Überall lagen Schläfer, so wirr, als hätte die Hand eines höheren Wesens sie gefällt. Langsam gewöhnten sich Maries Augen an das spärliche Licht, und sie entdeckte eine Frau, die nackt umherirrte.
    »Hiltrud? Bist du es?«, rief Marie sie mit unterdrückter Stimme an.
    »Marie?« Es klang ebenso verwundert wie erleichtert. Hiltrud kam auf Marie zu und schlang ihr die Arme um den Hals. »Das waren keine Menschen mehr, sondern Tiere. Ich bin so wund, dass ich kaum mehr gehen kann. Wie steht es mit dir?«
    »Ich fühle mich, als wäre eine Meute tollwütiger Hunde über mich hergefallen. Wo sind die anderen? Wir müssen schnellstens von hier verschwinden.«
    »Nicht bevor ich den Mördern meiner Ziegen die Kehle durchgeschnitten habe.« Hiltrud zitterte am ganzen Körper. Marie umklammerte den Arm ihrer Freundin so fest, bis Hiltrud aufstöhnte.
    »Damit machst du sie auch nicht mehr lebendig. Nimm Vernunft an und komm mit mir. Wir müssen bis zum Morgen eine große Wegstrecke zwischen uns und diese Kerle legen, denn ich habe den Anführern die Börsen abgeschnitten. Das Geld reichtals Entschädigung für deine Ziegen und alles, was sie uns angetan haben.«
    Hiltrud ballte die Fäuste, spreizte die Finger aber

Weitere Kostenlose Bücher