Die Wanderhure
Hiltrud besser leuchten zu können. »Du hattest es ja mal wieder besser als wir – nur mit drei Männern im Zelt, von denen zwei noch Edelleute waren. Bei uns war der eine noch nicht richtig fertig, da schlug der nächste schon seinen Zapfen ein.«
»Auch Edelleute können sich wie Vieh aufführen. Ich habe jedoch dafür gesorgt, dass wir eine kleine Entschädigung erhalten, denn ich habe den Kerlen die Börsen abgeschnitten. Aber wenn wir nicht bald von hier verschwinden, werden sie uns deswegen die Haut abziehen. Zum Glück scheinen sie keine Wachen aufgestellt zu haben, sonst hätten wir jetzt schon eine Menge Ärger.«
»Glaubst du, die Wachposten hätten sich den Spaß entgehen lassen? Die haben genauso gehurt und gesoffen wie der Rest und liegen jetzt irgendwo herum.« Berta lachte auf und trat erwartungsvoll auf Marie zu. »Du wirst deine Beute gerecht zwischen uns aufteilen!«
Es klang wie ein Befehl, aber Marie nickte eifrig und klopfte auf die beiden Börsen an ihrem Gürtel. »Das tue ich, aber nicht hier. Wir müssen weit weg sein, ehe die Kerle aufwachen.«
Sie streifte Fita mit Hiltruds Hilfe ihren Kittel über. Dann befestigten sie sich gegenseitig ihre Bündel auf dem Rücken und nahmen Fita zwischen sich. Berta schimpfte über die vertane Zeit und sagte Marie ins Gesicht, dass es dummes Zeug sei, eine Halbtote mitzunehmen.
Schließlich wurde es Hiltrud zu bunt. »Halte endlich dein ungewaschenes Maul. Was meinst du, was die Riedburger mit Fita machen, wenn sie entdecken, dass wir samt den Börsen ihrer Anführer verschwunden sind?«
Berta zuckte mit den Schultern. »Mir doch egal. Wir können ja nachhelfen, damit sie nichts mehr spürt. Das war ja ihr Wunsch.«
Marie warf den Kopf in den Nacken. »Noch so eine Bemerkung, und ich werde dir nichts von meiner Beute abgeben.«
Maries Drohung wirkte sofort. Berta klappte den Mund zu und schwieg verbissen. Auf dem weiteren Weg hielt sie sich von Marie, Hiltrud und Fita fern. Auch Gerlind sprach kein Wort mehr mit ihnen und kümmerte sich nicht um die verletzte Kameradin, leuchtete Hiltrud und Marie jedoch mit dem immer noch brennenden Ast den Weg aus. Märthe hinkte hinter ihnen her und jammerte dabei ununterbrochen vor sich hin, obwohl ihr am wenigsten zu fehlen schien.
Müde und wund wankten die Frauen mit zusammengebissenen Zähnen durch die Nacht, die sich schon der Dämmerung zuneigte. Aus Angst vor Verfolgern mieden sie Straßen und Wege, sondern kletterten über Stock und Stein immer tiefer in den Wald hinein. Erst als das Gestrüpp um sie herum schier undurchdringlich wurde, hielten sie an und sanken erschöpft zu Boden.
»Hier werden uns die Söldner wohl kaum finden.« Berta tastete stöhnend nach ihren Füßen. Sie war es gewohnt, barfuß zu gehen, aber nun hatten ihr Stacheln und Dornen so zugesetzt, dass sie behauptete, drei Tage nicht mehr auftreten zu können.
Da keine der anderen Frauen besser dran war, achtete niemandauf ihr Gejammer. Gerlind hob noch einmal den Kopf und fuhr sie an, endlich still zu sein und zu schlafen. Berta murrte ein wenig, streckte sich aber aus und bettete den Kopf auf die Arme.
Schon bald darauf weckte sie Fitas Stöhnen. Berta richtete sich wieder auf und stieß Hiltrud an. »Du hättest besser etwas zu essen mitgenommen als die Halbtote da.«
Marie fuhr auf. »Berta, du bist das herzloseste Wesen, das mir je begegnet ist. Denk daran: Ich verteile die Beute!«
Hiltrud seufzte. »Lass uns nicht streiten. Ich habe ja etwas zu essen eingepackt.«
Offensichtlich hatte sie auch diesmal ihren kühlen Kopf behalten, denn sie nahm einen Packen aus ihrem Bündel und breitete seinen Inhalt auf ihrem Schoß aus. Berta, Gerlind und Märthe rissen ihr die Sachen unter den Händen weg, und Hiltrud musste sie abwehren, um genug für sich, Marie und Fita übrig zu behalten.
Nachdem Hiltrud selbst gegessen hatte, versuchte sie vergeblich, Fita zu bewegen, ein paar Bissen zu sich zu nehmen. Marie füllte an einem nahen Bach ihren Lederschlauch. Fita trank ihn beinahe leer und lehnte sich dann mit einem kaum verständlichen Dank zurück. Den Rest träufelte Hiltrud auf ein Stück Tuch, das sie der Verletzten als Kompresse auf den Unterkörper band, da Fita immer noch blutete.
Unterdessen war der Himmel heller geworden und färbte sich im Osten schon rötlich gelb. Es versprach ein schöner Tag zu werden. Gerlind und Berta sahen sich ängstlich um, denn sie hatten festgestellt, dass das Gestrüpp, das sie in der
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