Die Wanderhure
ich ziehe Silber vor.« Hiltrud wünschte ihr mit mürrischer Miene Gute Nacht, legte sich nieder und drehte ihr den Rücken zu.
Marie war klar, dass Hiltrud nichts anderes im Kopf hatte, als eine Spur der Diebinnen zu finden und sie möglichst bald einzuholen. Sie selbst hatte es nicht ganz so eilig damit, denn sie traute Berta zu, ihnen die Riedburger auf den Hals zu hetzen. Aus diesem Grund hatte sie nichts dagegen gehabt, den letzten Lagerplatz zu verlassen, und sie war mit Hiltrud einer Meinung, dass sie vorerst kein Feuer machen durften, auch wenn es das Raubzeug abgeschreckt hätte.
Wie Marie es erwartet hatte, weckte ihre Freundin sie beim ersten Schein der Morgenröte und ließ ihr kaum Zeit für ihre morgendliche Verrichtung. Als sie sich am nächsten Bach wusch und ihre Scham mit Salbe behandelte, lief Hiltrud schon ungeduldig voraus, so dass Marie Angst bekam, sie aus den Augen zu verlieren. Doch da vernahm sie ihre Stimme.
»Marie, beeil dich! Komm hierher.«
Marie schulterte notdürftig ihr Bündel und folgte Hiltrud.
Die Freundin stand auf einem Pfad, bei dem nicht zu erkennen war, ob er von Tieren oder Menschen stammte, und zeigte ganzaufgeregt auf eine lehmige, fast ausgetrocknete Pfütze. Zwischen den Spuren von Hirschen und Wildschweinen war der Abdruck eines nackten menschlichen Fußes zu sehen. Hiltrud stellte ihren eigenen Fuß daneben und drückte ihn in den Schlamm. Als sie ihn wieder zurückzog, war ihr Fußabdruck ein wenig länger als der andere und um einiges schmäler.
»Wenn diese Spur nicht von Bertas Quadratlatschen stammt, will ich es in Zukunft jedem Pfaffen umsonst besorgen«, erklärte Hiltrud triumphierend.
Marie nickte, hob dann aber abwehrend die Hände. »Die Abdrücke stammen ganz sicher von Berta. Aber ich weiß nicht, ob es gut ist, wenn wir den anderen durch so offenes Gelände folgen. Mir sind die Riedburger noch zu nahe.«
Hiltrud schüttelte zornig den Kopf. »Ich lasse dieses Diebesgesindel nicht so einfach davonkommen. Von Berta habe ich immer nur das Schlechteste angenommen, aber Gerlind hat mich bitter enttäuscht. Ich bin lange Jahre mit ihr gezogen und hätte mir nie vorstellen können, dass sie mich einmal ohne Skrupel betäubt, um mich berauben zu können. Diesen Verrat zahle ich ihr heim!«
»Dann sollten wir vorsichtig sein. Siegward von Riedburg wird den Verlust seines Geldes nicht hinnehmen.«
»Wenn du so viel Angst vor ihm hast, hättest du ihn nicht bestehlen dürfen. Was kann er tun, außer vor Wut schäumen?«
Als Hiltrud einfach weiterging, wurde Marie klar, dass ihre Freundin zu verärgert war, um vernünftige Einwände gelten zu lassen. So blieb ihr nichts anderes übrig, als mit ihr zu gehen und Augen und Ohren offen zu halten. Wie gut sie daran tat, erwies sich schon bald. Sie waren einem schier nicht enden wollenden Pfad gefolgt, der sich zwischen dicht stehenden Bäumen hindurchwand und feucht genug war, um die Spuren der drei Frauen festzuhalten, die ihn am Tag zuvor gegangen waren. Als der Pfad auf einen breiteren Weg mündete, vernahm Marie das ferne Klirren von Metall.
Sie hielt Hiltrud fest. »Los, zurück zu dem Gebüsch, an dem wir gerade vorbeigekommen sind!« Als die Freundin zögerte, zog Marie sie hinter sich her.
Hiltrud ließ es verdutzt geschehen. »Was ist denn los?«
Im selben Augenblick hörte sie selbst das dumpfe Schlagen von Hufen auf lehmigem Untergrund und laute Stimmen und folgte Marie widerspruchslos in das Gestrüpp. Dort warfen sie sich zu Boden, rollten sich zusammen und wagten vor Angst kaum noch zu atmen. Als die Männer nicht weit von ihnen auf den Pfad abbogen, den sie gekommen waren, hoben sie vorsichtig die Köpfe.
Wie Marie vermutet hatte, handelte es sich bei dem vordersten Reiter um Siegward von Riedburg, der von vier Berittenen begleitet wurde. Ihnen folgte ein Dutzend Söldner im Laufschritt. Die Männer schienen ein bestimmtes Ziel zu haben, denn sie hasteten an Marie und Hiltrud vorbei, ohne auch nur vom Weg aufzusehen. Bald waren die Männer ebenso schnell wieder im Wald verschwunden, wie sie aufgetaucht waren. Erst jetzt wagten die beiden Frauen, wieder zu atmen, und sahen sich verschreckt an.
»Das war knapp. Wenn du nicht so gute Ohren hättest …« Hiltrud ließ den Rest des Satzes ungesagt. Sie hatten beide das wutentbrannte Gesicht des Riedburgers gesehen.
Hiltrud presste die Hand auf ihr flatterndes Herz. »Sollen wir tiefer in den Wald laufen oder dem Weg folgen, den die Kerle
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