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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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interessiert jetzt nur noch, meine Haut zu retten. Lass uns von hier verschwinden und so lange laufen, wie unsere Füße uns tragen. Und versuche ja nicht, mich zu überreden, die drei Diebinnen zu begraben.«
    »Nein, dazu ist keine Zeit. Wenn der Riedburger unsere Spuren findet, wird er spätestens dann zurückkommen, wenn er unseren Lagerplatz im Windbruch erreicht und uns nicht vorgefunden hat.«
    Marie straffte ihren Rücken, presste die Hand auf ihren schmerzenden Magen und folgte Hiltrud in die aufsteigende Nacht hinein. Sie schämte sich wegen ihrer Schwäche und kämpfte gleichzeitig mit Selbstvorwürfen. Wie sie es auch drehte und wendete – sie fühlte sich schuldig an dem Tod ihrer drei Gefährtinnen. Zuletzt klammerte sie sich an Hiltruds Worte, dass Gerlind und die anderen ihr Schicksal durch ihre eigene Gier besiegelt hatten. Aber sie ahnte schon, dass die schrecklichen Bilder an der Wegkreuzung sie noch lange Zeit bis in ihre Träume verfolgen würden.

X.
    S päter konnte Marie nicht einmal schätzen, wie weit sie in dieser Nacht gelaufen waren, und sie vermochte auch erst am nächsten Tag festzustellen, welche Richtung sie genommen hatten. Als die Morgendämmerung heraufzog und sie weiter als ein halbes Dutzend Schritte sehen konnten, bogen sie von der Straße abund suchten im Unterholz Schutz. Das Land um sie herum wirkte rauer und wilder als die Gegend, aus der sie gekommen waren. Dunkle Wälder, deren Bäume Moosbärte trugen, erstreckten sich weit nach Süden, und als sie eine lichte Anhöhe erreichten, sahen sie um sich herum nur Wald. Es schien weder gerodetes Land noch Siedlungen zu geben.
    Hiltrud drehte sich nach allen Seiten um und runzelte die Stirn. »Wir müssen den Schwarzwald erreicht haben. Das ist gut und schlecht zugleich.«
    Marie nickte bedrückt. Sie hatte in Konstanz schon viel von diesem Landstrich gehört, von dem es hieß, man könne viele Tage lang hindurchwandern, ohne auf einen anderen Menschen zu treffen. Unter seinen uralten Eichen, Buchen und Tannen sollten mehr Bären und Wölfe hausen als Konstanz Einwohner besaß. Hiltrud sah die Sache optimistischer. »Hier wird der Riedburger uns niemals finden. Los, lass uns einen Ort suchen, an dem wir vor wilden Tieren sicher sind. Ich bin so müde, dass ich bald im Stehen einschlafe.«
    Marie schlüpfte aus ihren Schuhen, die aus einer Holzsohle und einem breiten Lederriemen bestanden, und betrachtete ihre wunden Füße. »Im Stehen würde ich es nicht gerade versuchen. Aber ich habe nichts gegen ein trockenes Versteck und einen Bach, an dem ich trinken und meine Füße kühlen kann.«
    Hiltrud brummte etwas, das wie »verwöhntes Ding« klang, und begann, den Hang vor ihnen hinabzuklettern. Er endete an einem tief in den Felsen eingeschnittenen Bach, an dem sie ihren Durst stillen und ihren ledernen Wasserschlauch auffüllen konnten. Als sie auf der anderen Seite aus dem Bachbett kletterten, fanden sie ein Gebüsch, das sich als Lager eignete. Während sie sich noch umsahen, knurrten ihrer beider Mägen vernehmlich. Doch sie waren zu müde, um Brennholz zu suchen, und hatten auch Angst, dass ein Feuer sie verraten würde. So teilten sie das letzte Stück Brot miteinander und spülten es mit Wasser hinab.Obwohl ihnen die Augen zufielen, brachten sie die Kraft auf, die Zweige um sich herum zu einem Schirm zu verflechten, so dass weder Mensch noch Tier ohne Geräusch zu ihnen vordringen konnte. Dann hüllten sie sich in ihre Decken und streckten sich auf dem felsigen Untergrund aus.
    Marie und Hiltrud schliefen in ihrer Erschöpfung bis zum späten Nachmittag. Steif gefroren von dem langen Liegen auf einem kalten, harten Boden kletterten sie zum Bach hinab, um noch einmal zu trinken. Zu ihrem Leidwesen gab es so früh im Jahr noch keine reifen Beeren und auch keine Pilze. Hiltrud fand schließlich wilden Sellerie und grub dessen Wurzeln aus. Obwohl das Gemüse scharf roch, verschlangen die beiden Frauen es heißhungrig. Es füllte den Magen, sättigte aber nicht. Auf diese Weise würden sie nicht lange überleben. Auch waren sie für ihr Gefühl immer noch zu nahe an dem Ort, an dem Siegward von Riedburg und seine Söldner ihre drei Gefährtinnen umgebracht hatten. So warteten sie, bis der Mond aufging und die Kiesel auf dem Pfad, den sie erspäht hatten, hell schimmerten, und wanderten weiter durch eine Schlucht aus silbrigem Halbdunkel, die von schier undurchdringlich schwarzen Mauern umgeben zu sein schien. Die Geräusche,

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