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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Traum erscheint und sagt, wie Leid es ihr täte, uns verraten zu haben.«
    »Im Nachhinein kann es einem leicht Leid tun, aber da ist esmeistens zu spät. Gerlind hat ihren Weg selbst gewählt und uns beinahe mit ins Verderben gerissen.«
    Marie schenkte sich Wein ein und starrte nachdenklich in die honiggelbe Flüssigkeit. Obwohl ihr der Mord an den drei Frauen zunächst weitaus näher gegangen war als Hiltrud, kam sie nun besser darüber hinweg. Hiltrud träumte in den Nächten immer wieder von ihren ehemaligen Gefährtinnen und erlebte deren Schicksal hautnah mit. Die einzigen Gesichter aus ihren Albträumen, an die Marie sich am Morgen erinnern konnte, waren die von Ruppertus und den Männern, die sie in Konstanz vergewaltigt hatten.
    Hiltrud kannte Marie so gut, dass sie bestimmte Gedanken von ihrem Gesicht ablesen konnte. »Du denkst schon wieder an deinen ehemaligen Bräutigam! Lass es doch endlich sein. Ich glaube, für dich wäre es besser gewesen, wenn du nichts über den Tod Siegwards von Riedburg erfahren hättest. Dann würdest du nämlich aus lauter Angst vor ihm die alte Geschichte vergessen.«
    Das klang nicht sehr freundlich, doch Marie war ihrer Freundin deswegen nicht böse. Sie versuchte schon seit langem, ihre Pläne für sich zu behalten, denn Hiltrud war der Meinung, dass Rache das Spielzeug der hohen Herren war und nichts für ihresgleichen. Marie konnte ihre Auffassung nicht teilen. Wenn es einen gerechten Gott im Himmel gab, würde er ihr eine Waffe gegen Ruppert in die Hand geben. Diese Hoffnung war ihr Lebensinhalt. In diesem Licht erschien ihr das erbeutete Gold wie ein Geschenk des Himmels. Denn jetzt hatte sie endlich genug Geld, um einen Meuchelmörder dingen zu können. Es tat ihr nur Leid, dass sie mit Hiltrud nicht darüber reden konnte.
    Der Weinkrug war inzwischen leer, und da Hiltrud so ein starkes Getränk nur selten zu kosten bekommen hatte, sank ihr der Kopf in den Schoß. Marie erging es nicht viel besser. Schwerfällig standen sie auf, suchten sich ein Versteck in dichtem Gebüsch undverschliefen den Rest des Nachmittags und die ganze Nacht bis in den hellen Morgen.
    Als sie schließlich erwachten, klagte Hiltrud über starke Kopfschmerzen. So suchten sie als Erstes wilde Minze, Kamillenkraut und Mohnblüten und brauten sich daraus einen Trank, der die Folgen des Weines vertreiben sollte. Als es ihnen besser ging, beratschlagten sie, was sie jetzt tun sollten. Da die Riedburger keine Gefahr mehr darstellten, konnten sie endlich zum Rhein hinunterwandern und ihr Gewerbe wieder aufnehmen. Doch dazu mussten sie ihre äußere Erscheinung in Ordnung bringen.
    Hiltrud lobte Marie, weil sie an Stoff und Nähzeug gedacht hatte, kritisierte sie aber noch im gleichen Atemzug, weil sie nicht versucht hatte, an gelben Stoff zu kommen oder weiße Bänder zu kaufen, die sie selbst hätten einfärben können. Die alten, verschlissenen Hurenbänder würden sich an den neuen Kleidern etwas seltsam ausnehmen. Hiltrud trennte sie von den alten Röcken ab, frischte sie mit einem Absud aus Gelbwurz und Löwenzahn auf und hing sie zum Trocknen an ein paar Zweige. Dann schnitten sie in Ermangelung einer Schere die gekauften Stoffe mit Maries Messer zurecht und nähten eifrig. Für Maries Kleid nahmen sie das blaue Leinen, während Hiltrud sich für den ockerfarbenen Wollstoff entschieden hatte. Obwohl sie mit primitiven Hilfsmitteln auf ihren Decken arbeiten mussten, stellte das Ergebnis ihrer Nähkünste sie mehr als zufrieden. Jetzt konnten sie sich wieder sehen lassen, ohne für Pfennighuren vom Schlage Bertas gehalten zu werden. Hiltrud hatte sogar für das Stück Borte Verwendung gefunden und damit Maries Ausschnitt verziert. Dort sollte sie ihren Worten zufolge die Männerblicke magnetisch auf die beiden Alabasterhügel lenken, die sie umrahmte.
    Während des Nähens hielt Marie inne und betrachtete Hiltruds Frisur. Deren vor einiger Zeit dunkel gefärbten Haare waren bereits nachgewachsen und leuchteten an den Ansätzen gewohnthellblond. Nachdenklich zog sie eine ihrer schmutzig braun aussehenden Haarsträhnen vor das Gesicht. »Was sollen wir damit tun, noch mal färben oder versuchen, den Dreck wieder herauszuwaschen?«
    »Ich bin fürs Auswaschen«, antwortete Hiltrud, die auf ihr helles Haar stolz war und es nur aus Angst vor den Riedburgern dunkel gefärbt hatte.
    »Dann sollten wir gleich damit anfangen. Ich will als die Marie an den Rhein kommen, die man dort kennt.« Marie nahm den

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