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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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sie nach wenigen Tagen im Kreis der hiesigen Hafenhuren akzeptiert haben würde. Dann würden sie ihrerseits fremde Hübschlerinnen mit scheelen Blicken begrüßen. Von einem früheren Aufenthalt kannte sie eine Herberge, die von anständigen Bürgern gemieden wurde, aber jedem eine Unterkunft bot, der im Voraus bezahlen konnte.
    Sie lag etwas abseits vom Hafen an einem versumpften, mit Abfällen gefüllten Kanal, der bestialisch stank. Als sie daran entlanggingen, hielt Marie sich ein Tuch vor den Mund, während Hiltrud sie verspottete und eine Zimperliese nannte. Als sie schließlich das windschiefe Gebäude erreichten, bedauerte Marie es, so empfindliche Sinne zu haben, und wünschte sich, Bertas Gleichmut zu besitzen. Der hätte es gewiss nichts ausgemacht, in einemHaus unterzukommen, gegen das ein Schweinestall noch sauber genannt werden konnte. Doch das abstoßende Haus war die einzige Herberge weit und breit, die auch Wanderhuren Unterschlupf bot.
    Hiltrud öffnete die schwere Eichenholztür, die von innen mit mehreren Querbalken gesichert werden konnte. Wer gegen den Willen des Wirtes hier einzudringen versuchte, würde einen Rammbock benötigen. Von innen wirkten die Mauern massiv, und die wenigen Fenster waren so klein, dass gerade mal ein Kind den Kopf hindurchstecken konnte. Das machte den Flur so düster, dass man kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Nur die Kälte unter ihren Fußsohlen verriet Marie, dass der Boden mit Steinplatten belegt war.
    Kaum waren sie eingetreten, wurde eine Tür aufgerissen. Ein Mann steckte zuerst eine Lampe und dann den Kopf heraus. Einen Augenblick starrte er sie an, als wolle er sie ausziehen. Dann grinste er und schien im Geiste schon die Geldstücke zu zählen, die er ihnen abnehmen konnte.
    »Wir brauchen eine Unterkunft für mehrere Tage, aber eine Kammer für uns zwei allein«, erklärte Marie dem Mann, der Hemd und Schürze mindestens seit dem letzten Herbst nicht mehr gewechselt hatte.
    »Aber natürlich«, spottete der Wirt. »Mit was willst du zahlen? Fang gar nicht an, deinen Rock zu heben. Meine Zimmer sind teurer als zwei Hurenlöcher. Von eurer Sorte könnte ich so viele haben, dass ich schon einen Knüppel aus Eichenholz bräuchte, um sie alle benutzen zu können.«
    Hiltrud warf lachend den Kopf in den Nacken. »Lieber Martin, du glaubst doch nicht, dass ich so etwas wie dich an mich heranlasse? Da würde ich lieber draußen am Kanal schlafen. Aber unser letzter Freier war sehr großzügig.« Sie ließ dabei einen rheinischen Guldengroschen in der Hand aufblitzen.
    Die Augen des Wirts nahmen beim Anblick der großen Silbermünzeeinen raffgierigen Ausdruck an. »Ihr müsst wirklich reich belohnt worden sein, um so ein prachtvolles Stück für eine Unterkunft für ein paar Nächte ausgeben zu können.«
    »Für ein paar Wochen, Martin, für ein paar Wochen«, korrigierte Hiltrud ihn lächelnd.
    »Eine Woche, mehr nicht.«
    Hiltrud schob ihre Unterlippe vor. »Einigen wir uns auf vierzehn Tage, Martin. Damit hast du deinen Gewinn und wir keinen Verlust.«
    Der Mann nickte zögernd. »Also gut, ein Zimmer für euch für zwei Wochen, aber ohne Verpflegung.«
    Ehe Hiltrud etwas sagen konnte, stimmte Marie dem Handel zu, denn in diesem Haus würde sie keinen Bissen über die Lippen bringen können. Ihr graute schon davor, zwei Wochen lang hier hausen zu müssen. Sie war daher froh, als Hiltrud ihr nach einer kurzen Besichtigung der Giebelkammer, in die der Wirt sie einquartierte, vorschlug, zum Hafen zurückzukehren.
    »Ihr bringt mir aber keine Kerle mit ins Haus, sonst wird noch einmal ein Silbergulden fällig«, rief der Wirt hinter ihnen her.
    Hiltrud winkte verächtlich ab und raunte Marie zu, dass sie ihre Freier ohnehin nicht in diese Wanzenburg bringen könnten.
    »Wir suchen zuerst etwas Reisig, um die Kammer zu fegen. Die Strohsäcke schmeißen wir hinaus und kaufen Binsen, auf die wir unsere Decken legen. Das muss zum Schlafen erst einmal reichen. Dann gehen wir in die Stadt, suchen den Tuchmarkt auf und besorgen uns Leinen für zwei neue Zelte und alles, was wir sonst noch dazu benötigen. Wenn wir dem Torwächter ein paar Pfennige in die Hand drücken, lässt er uns bestimmt ein.«
    Marie nickte zu allem, ohne ein Wort zu sagen, denn sie hielt sich ein Tuch mit jener scharf riechenden Tinktur vor die Nase, die sie sonst an einer anderen Körperstelle zum Einreiben benutzte. Als sie einem Mann ausweichen wollte, der vor der Herberge auf und ab ging,

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