Die Wanderhure
Topf und eilte zum Bach, um Wasser zu holen.
Da ihnen das Wetter hold blieb und sie sich keine Zuflucht bauen mussten, dauerten ihre Vorbereitungen nur drei Tage, in denen sie ihre Haare zumeist in Bleichwurzsud getauchte Tücher gewickelt hatten. Zuletzt nähte Hiltrud die gelben Bänder an die Röcke beider Kleider, während Marie mit traurigem Blick zusah.
»Ohne Bänder sah das Kleid viel schöner aus«, seufzte sie.
Hiltrud gab ihr einen sanften Nasenstüber. »Los, keine Müdigkeit vorschützen! Pack deine Sachen. Ich möchte heute noch aufbrechen.«
Marie schien auf diese Aufforderung gewartet zu haben, denn sie hatte ihr Bündel ausnahmsweise schneller geschnürt als ihre Freundin und sah ihr dann ungeduldig zu. Hiltrud beeilte sich und trällerte sogar ein kleines Liedchen, während sie der untergehenden Sonne nach Westen folgten. Das Wetter blieb schön, und da die einbrechende Nacht von einem hellen Vollmond erleuchtet wurde, kamen sie gut vorwärts. Hiltrud hoffte, innerhalb von zwei Tagen den Rhein in der Höhe von Diersheim zu erreichen. Von dort war es nur noch ein Katzensprung bis Straßburg, in dessen Hafen saubere und umtriebige Huren für eine Weile ein gutes Auskommen finden konnten. Dort hofften sie, Material für zwei Zelte kaufen zu können, damit sie, wenn sie weiterwanderten, ein Dach über dem Kopf hatten.
Marie hörte Hiltrud geduldig zu, die lang und breit die großen Märkte aufzählte, die in diesem Jahr noch stattfanden, und über ihre Aussichten spekulierte, genug Geld für den Winter zu verdienen. Gleichzeitig überlegte sie, wie sie es anfangen sollte, in Straßburg einen Mann zu finden, der bereit war, für eine gewisse Summe gemünzten Goldes Rupperts Leben zu beenden. Sie war sich nicht sicher, wie sie vorgehen sollte, denn sie wollte ihr Geld nicht wieder an jemanden verlieren, der ihr das Blaue vom Himmel versprach und sich mit der Anzahlung aus dem Staub machte.
Die letzte Wegstrecke von Diersheim nach Straßburg brauchten Marie und Hiltrud nicht zu Fuß zurückzulegen, denn sie trafen auf Rheinschiffer, die Hiltrud als ehrliche Burschen kannte und die sie einluden, auf ihrem Kahn mitzufahren. Es war angenehm, auf zwei Warenballen sitzend zusehen zu können, wie die Pferde das Schiff an einer langen Leine vom Treidelpfad am Ufer aus stromaufwärts zogen. Geschickt zurechtgestutzte Weiden am Weg spendeten den Tieren Schutz vor den sengenden Strahlen der Sommersonne. Es war so heiß, dass einem die Zunge am Gaumen klebte, und Marie lobte Hiltrud für ihre Idee, ihre Weinkanne in Diersheim mit säuerlichem, halb mit Wasser verdünntem Wein füllen zu lassen.
Bald sahen sie den mächtigen Turm des Straßburger Münsters über der flachen Flussaue aufragen. Bei Robertsau löste das Schiff die Treidelleinen, querte den Rhein und bog in die Ill ein, auf der es unter dem Staken der Schiffer in weniger als einer halben Stunde nach Straßburg fuhr. Der Hafen lag außerhalb der Stadtmauer, war aber durch kleine Kanäle mit den großen Stapelhäusern und Handelskontoren verbunden. Die Schiffer hatten Waren für einen der großen Handelsherren geladen und fuhren weiter, nachdem sie dessen Kommis im Hafen an Bord genommen hatten. Marie und Hiltrud verabschiedeten sich von ihnen und sprangen während der Fahrt über die Bordwand ansUfer. Ein paar johlende Matrosen fingen sie drüben auf. Einer wollte Marie sofort mit in ein nahes Gebüsch mitnehmen. Seine Lust war jedoch größer als sein Geldbeutel, und so wand sie sich lachend von ihm los.
Die beiden Frauen schlenderten nun durch den Hafen und betrachteten die vielen Kähne, die hochbordigen Aaken und die zahllosen Flöße, die am Kai festgemacht hatten oder auf das lehmige Ufer gezogen worden waren. Hier wurden Waren aus aller Herren Länder umgeschlagen. Marie sah Holländer in weiten Hosen und gestreiften Hemden, die widerspenstigen Haare unter dunklen Filzkappen gebändigt, Händler aus dem Rheinland mit eng anliegenden Strumpfhosen, die ihre Männlichkeit schamlos betonten, Männer aus dem Schwarzwald in dunklen Kitteln und mit breitkrempigen Hüten auf dem Kopf sowie Leute in den Trachten des Hochrheingebiets und des Bodensees. Es waren nur wenige ehrbare Frauen zu sehen, meist Reisende höheren Standes, und eine Anzahl von Huren, die die neu eingetroffene Konkurrenz mit unfreundlichen Blicken empfingen.
Hiltrud störte sich nicht an der ablehnenden Haltung ihrer Konkurrentinnen. Sie war daran gewöhnt und wusste, dass man
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