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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Richters.
    »Mir gefällt dieser Gedanke nicht«, erklärte Marie mit verkniffener Miene. »Eine Freundin von mir ist in Konstanz so schlimm gestäubt worden, dass sie beinahe gestorben wäre, und ich habe ebenfalls Gründe, die Stadt zu meiden.«
    Jobst begann schallend zu lachen. »Ach, so ist das. Du hast dort etwas ausgefressen. Sei unbesorgt, mein schönes Kind. Wenn du mit mir reist, reist du unter dem Schutz des kaiserlichen Friedens. Niemand darf es wagen, Hand an dich zu legun,und die Büttel müssen dich frei in der Stadt umherstreifen lassen.«
    Der Hurenwerber zwinkerte Marie verschwörerisch zu und tätschelte ihr die Wange. »Der Kaiser musste allen Schutz und freies Geleit zusagen und einen allgemeinen Landfrieden festschreiben, der für die gesamte Zeit des Konzils und einige Wochen danach gilt, da viele der Herren, die sich in Konstanz versammeln, in Fehde miteinander stehen. Dieser Friede gilt nicht nur für die Teilnehmer des Konzils, sondern auch für alle, die zu seinem guten Gelingen beitragen. Und eine Hübschlerin, so dünkt mich, trägt mindestens genauso viel dazu bei wie ein betender Mönch oder ein Handelsmann, der die Herren mit Speis und Trank versorgt.«
    Vielleicht kann der kaiserliche Schutzbrief verhindern, dass die Behörden noch einmal gegen mich vorgehen, überlegte Marie. Ruppert und seine Handlanger würden keine Rücksicht darauf nehmen, denn der Rhein gab die Toten so schnell nicht mehr her, und niemand fragte zweimal nach einer verschwundenen Hure. Wenn sie jedoch vor lauter Angst vor Ruppert seine Nähe mied, würde sie nie etwas gegen ihn und seine Spießgesellen unternehmen können. Sie dachte an Ritter Otmars Testament, das für Dietmar von Arnstein und dessen Gemahlin wertvoller war als Gold und sich mit den anderen Urkunden immer noch in ihrem Besitz befand.
    Sie hatte nur einige von Jodokus’ Kommentaren zu diesen Schriftstücken entziffern können, da ihre Lateinkenntnisse zu gering waren und sie die vielen Abkürzungen nicht verstand. Aber sie war sich sicher, dass seine Notizen in Verbindung mit den Dokumenten in der Hand des richtigen Mannes eine Waffe darstellten, die den Grafen von Keilburg und Magister Ruppertus Splendidus vernichten würde. Für eine verachtete Hure wie sie waren sie jedoch wertlos. Doch wer war der richtige Mann? Ritter Dietmar war schon einmal von Ruppert hereingelegt wordenund würde sich wahrscheinlich auch das nächste Mal nicht gegen ihn durchsetzen können. Aber mit der Hilfe des Ritters konnte sie einen Mächtigeren finden, der gegen den Keilburger vorging. Vielleicht gelang es ihr auch selbst, einen hochrangigen Gegner des Keilburgers ausfindig zu machen, der sich ihrer Unterlagen bedienen und ihre Feinde mit der Schärfe des Gesetzes vernichten konnte. Sie musste nur Augen und Ohren aufhalten und für möglichst viele wichtige Persönlichkeiten die Beine spreizen.
    Marie atmete tief durch und warf den Kopf hoch, dass ihre Locken nur so stoben. »Also gut, Jobst. Wir kommen mit nach Konstanz.«
    Helma und Nina jubelten auf, und Hiltrud ließ einen tiefen Seufzer vernehmen, der nicht sonderlich erleichtert klang. Jetzt gab es kein Zurück mehr, ganz gleich, welches Schicksal Marie in Konstanz erwartete.

II.
    E s war früh am Morgen. Der See lag noch in dichtem Nebel, so dass die Insel mit dem Predigerkloster sich nur als Schemen abzeichnete. Einzelne Schwaden zogen über die Seemauer und drangen seltsam verformten Ungeheuern gleich in die noch menschenleeren Gassen ein. In der Nähe von St. Lorenz trat ein junges Mädchen aus einer Tür, sah sich sorgfältig um und lief die Gasse unter den Säulen hinunter bis zum Obermarkt. Dort bog sie in die Ringgasse ab, die zum Paradiesertor führte. Das Mädchen war in ein einfaches braunes Gewand gehüllt, wie es gewöhnlich nur Mägde trugen, und hatte Kopf und Oberkörper in ein großes, fadenscheiniges Schultertuch gehüllt. Ihre Füße steckten jedoch in festen Schuhen aus Rindsleder, die eine einfache Magd sich nicht leisten konnte.
    Das Mädchen blickte sich immer wieder besorgt um, so als fürchte sie sich vor einer Entdeckung, und wich jedes Mal in eine Seitengasse aus, wenn sie Schritte vernahm. Dem Wächter am Paradiesertor ging sie jedoch vertrauensvoll entgegen.
    »Du bist früh unterwegs, Jungfer Hedwig«, grüßte er freundlich und deutete auf den kleinen Strauß Frühlingsblumen in ihrer Hand. »Du willst wohl wieder auf den Armenfriedhof zum Grab deiner Verwandten.«
    Das

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