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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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sehen, wie Ruppert zugrunde ging.
    Der Mann ließ Hiltrud los und warf sich in die Brust. »Ich bin Jobst, der Hurenwerber, und kein Hurenwirt. Meine Aufgabe ist es, die schönsten Hübschlerinnen von nah und fern nach Konstanz zu holen, damit sie sich um das Wohlergehen der hochrangigen Gäste kümmern. Ihr vier entsprecht den hohen Erwartungen, und es wäre schade, wenn ihr euch nicht ein Stück vom Kuchen abschneiden würdet, der dort verteilt wird.«
    Helma und Nina warfen sich geschmeichelt in Pose, und die kleine Italienerin fragte Jobst gurrend, ob er denn nicht Lust hätte, mit in ihr Zelt zu kommen.
    »Wenn du mir hinterher nach Konstanz folgst, gerne.« Jobst nahm eine Locke ihres glänzenden schwarzen Haares in die Hand und rieb sie zwischen den Fingern, als wolle er sich überzeugen, ob die Farbe auch echt sei. »Du bist wirklich ein hübscher Bissen und könntest in Konstanz viel Geld verdienen. Ihr anderen übrigens auch.« Sein Blick schweifte über Hiltrud und Helma und blieb schließlich auf Marie haften.
    »Hier ist doch nichts los«, sagte er mit einer weitschweifendenHandbewegung. »Jeder Mann mit ein paar Gulden im Säckel, der etwas auf sich hält, ist nach Konstanz gereist. Dort versammelt sich derzeit die ganze Welt. Da findet ihr Ritter, Grafen und Könige, aber auch hohe Herren des geistlichen Standes, Gelehrte, Kaufleute und die Vertreter der Städte und Zünfte. Ich sage euch, eine Hübschlerin kann dort ihr Glück machen.«
    »Ein Batzen Geld wäre mir lieber. Das Glück ist mir nämlich zu flatterhaft«, spottete Helma.
    »Du meinst einen Haufen Geld, ein Batzen wäre für so ein hübsches Ding wie dich doch viel zu wenig.« Jobst holte einen Baseler Batzen aus seiner Börse und schnipste ihn Helma zu. Die junge Hure fing ihn im Flug auf und musterte den grob geschlagenen Bären, der die Münze zierte.
    »So wie das Geschäft hier läuft, würde ich sogar dafür mit dir ins Zelt gehen.« Es klang verführerisch, doch Jobst hob die Hände.
    »Später vielleicht. Das Geschäft geht vor. Na, ihr vier Hübschen? Wollt ihr euch einen echten Goldgulden als Handgeld verdienen und mit mir kommen? Ich garantiere euch reichen Verdienst.«
    »Eher dürfen wir unsere Zelte auf dem Brüel aufschlagen und die Beine für das Gesindel breit machen, das im Sog der hohen Herren nach Konstanz gespült wurde, und das für ein paar lumpige Pfennige. Nein, Jobst, auf deine flotten Sprüche falle ich nicht herein.« Maries Stimme klang scharf und erschreckte die beiden Huren, die sie nicht so gut kannten wie Hiltrud.
    Jobst schüttelte ärgerlich den Kopf. »Bei Gott, Frau, du bist schön wie ein Engel und wirst in Konstanz die höchsten Herren empfangen können.«
    »Ich glaube kaum, dass ein Graf oder Prälat in das Zelt einer Wanderhure kommt.« Marie schürzte die Lippen und wollte aufstehen und weggehen. Doch Jobst vertrat ihr den Weg.
    »Ich kann dir und deinen Freundinnen eine Unterkunft verschaffen, zu einem erschwinglichen Mietzins wohlgemerkt, und das, obwohl in Konstanz die Quartiere so knapp geworden sind, dassselbst edle Herren auf Stroh in Ställen schlafen und viele Leute die Nacht über in Meersburg und Überlingen jenseits des Sees verbringen müssen.«
    Doch auch damit konnte er Marie nicht überzeugen. »In einem Hurenhaus wahrscheinlich, dessen Wirt dich dafür bezahlt, dass du ihm willige Mädchen besorgst.« Sie wollte ihn schon beiseite schieben, als er mit den Füßen aufstampfte und sie wütend anschrie.
    »Mein Gott, Frau, bist du so dumm oder tust du nur so? Ich werde euch ein kleines Haus besorgen, in dem ihr vier auf eigene Rechnung arbeiten könnt. Mir seid ihr nichts schuldig, denn ich erhalte für jede Hure, die ich bringe, eine Prämie vom Rat.«
    Helma trat mit wiegenden Hüften näher und fasste Marie an der Schulter. »Also, ich wäre dafür, dieses Angebot anzunehmen. Selbst wenn nur die Hälfte dessen stimmt, was Jobst behauptet, ist es allemal besser als jetzt.«
    »Ich will auch nach Konstanz. Dort kommen viele Leute aus meiner Heimat, und ich werde meine Sprache sprechen können.«
    Nina hatte sich offensichtlich schon entschieden.
    Hiltrud trat auf Marie zu und zog sie an sich wie ein kleines Kind. Natürlich würde sie bei Marie bleiben, auch wenn die beiden anderen Huren sich von ihnen trennten. In Maries Kopf wirbelten die Gedanken wie Blätter im Herbstwind. Wie gerne wäre sie nach Konstanz gegangen. Doch dagegen stand der Spruch eines unbarmherzigen

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