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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Trotz lebte sein alter Prozessgegner Mombert Flühi immer noch, und dessen Tochter war auch nicht mehr aufgetaucht.
    Letzteres war jedoch nicht seine Schuld. Er lächelte böse, als er daran dachte, wie Abt Hugo ihm gebeichtet und ihn um Hilfe angefleht hatte. Warum hatte dieser Dummkopf auch nicht warten können? Zu seinem Pech war sein Diener Selmo unterwegs niedergeschlagen und das Mädchen samt dem gefälschten Auslieferungsbefehl geraubt worden. Letzteres bereitete dem Abt viel Kopfzerbrechen, doch Ruppert glaubte nicht, dass das Schriftstück noch existierte. Es war anzunehmen, dass das Mädchen Söldnern in die Hände gefallen war, die es vergewaltigt und ebenso in den Strom geworfen hatten wie das für sie gefährliche Pergament.
    Für einen Augenblick dachte Ruppert an die blonde Hedwig und den Grund für Mombert Flühis hartnäckige Anklagen. Seine Tochter hatte Matthis Schärers Tochter Marie recht ähnlich gesehen und ihren Vater wohl immer an das entgangene Vermögen seines Schwagers erinnert. Marie war eine wahre Schönheit gewesen.Ein Bulle wie sein Bruder oder Hugo von Waldkron hätte sie sich mit Sicherheit ins Bett geholt, statt zuzulassen, dass sie von einem Büttel halb zu Tode gepeitscht wurde, um danach irgendwo am Straßenrand zu verenden. Ruppert jedoch hatte das Schicksal des Mädchens nicht interessiert. Im Gegenteil, er war stolz darauf, dass er seinen Geschlechtstrieb beherrschen konnte, denn sonst wäre er heute nicht der anerkannte und geschätzte Erbe von Keilburg. Wenn er seinen Weg weitergehen wollte, durfte er sich keine menschlichen Schwächen leisten. Dabei dachte Ruppert kurz an das halbe Dutzend Bastarde, die sein Bruder mit irgendwelchen Mägden in die Welt gesetzt hatte und die er wohl auch noch beseitigen musste, wenn er die Herrschaft Keilburg ungefährdet übernehmen wollte.
    Gegen ihren Willen sah Marie immer wieder zu ihrem ehemaligen Verlobten hinüber und erstickte beinahe an ihrem Hass. Deswegen war sie im ersten Moment sogar erleichtert, als die Trommeln die Ankunft des Verurteilten ankündigten und sie aus ihren mörderischen Gedanken rissen. Aller Augen richteten sich nun auf das Tor, und die, die etwas erkennen konnten, beschrieben es denjenigen, die hinter ihnen standen.
    Hinter einigen Mönchen, die ein Kreuz trugen und Weihrauchkessel schwenkten, als wollten sie Dämonen fern halten, führten gepanzerte Fußknechte Magister Hus aus der Stadt. Als der Zug den freigehaltenen Platz um den Scheiterhaufen erreichte, konnte Marie den Böhmen genauer betrachten. Jan Hus ging aufrecht und mit ernstem Gesicht, das keine Angst erkennen ließ. Man hatte ihm einen schwarzen Schandkittel übergestreift, der die Hölle symbolisierte, in die er bald fahren sollte. Dazu trug er eine hohe gelbe Mütze mit zwei sich angeifernden Teufeln darauf und der lateinischen Aufschrift Ketzer.
    Marie fühlte sich an ihre eigene Bestrafung erinnert, und ihr Rücken brannte und juckte in einer Weise, dass sie glaubte, es nicht aushalten zu können. Ihr Blick wanderte unwillkürlich von demVerurteilten zu Ruppert. Anders als Hus hatte der Mann so viel Schuld auf sich geladen, dass die Erde sich hätte auftun und ihn verschlingen müssen.
    Jan Hus wurde bis zum Scheiterhaufen geführt, wo sich die Konstanzer Stadtknechte seiner annahmen. Während man ihn auf die Holzkloben und an dem in der Mitte errichteten Pfahl festband, wandte sich der Böhme an Ludwig von der Pfalz, der zu Pferd mit symbolisch gezogenem Schwert die Szene beaufsichtigte.
    »Ist es mir erlaubt, ein letztes Mal zu den Menschen zu sprechen?«
    »Damit du sie mit deinen Teufelskünsten verhexen kannst? Wenn du auch nur ein einziges Wort sagst, das mir nicht gefällt, lasse ich dich knebeln.«
    »Was, wenn das Feuer erst einmal um mich herum lodert, etwas schwierig sein dürfte.« Der Spott des Böhmen war feiner, aber treffender als das Beißen des Pfalzgrafen.
    Unterdessen hatten die Knechte ihr Werk vollendet. Hunold überprüfte noch einmal die Fesseln des Verurteilten, spie vor ihm aus und sprang vom Scheiterhaufen herab. Zusammen mit den anderen Bütteln schleppte er jetzt Reisigbündel heran und schichtete sie um das dickere Holz auf.
    »Fahr zur Hölle!«, war sein wenig frommer Wunsch für Hus. Danach trat Hunold zu dem eisernen Feuerbecken, in dem bereits mehrere Fackeln brannten, und wählte eine davon aus. Sein Blick suchte den Pfalzgrafen, doch dieser bedeutete ihm, noch zu warten. Auf dem Pflaster der Stadt erklang

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