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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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betonte das Wort Hure besonders, um Hiltrud zu kränken.
    Hiltrud hatte sich schon so viele Schmähreden anhören müssen, dass sie an ihr abprallten. Verärgert sah sie, dass der Prinzipal die Peitsche hob und seine Zugtiere antrieb, ohne darauf zu achten, ob sie den Weg freigab. Nach einem kurzen Blick auf das bewusstlose Mädchen trat sie beiseite und wandte sich an einen der jüngeren Männer.
    »Hilf mir bitte, sie auf meinen Wagen zu laden. Ich werde sie nach unserer Ankunft in Merzlingen versorgen.«
    »Wenn sie dann tot ist, musst du das Loch für sie allein schaufeln«, antwortete der Junge patzig, bückte sich dann aber, um die Bewusstlose aufzuheben.
    Gemeinsam mit dem Burschen hob Hiltrud das Mädchen auf ihren Wagen. Noch während sie sich bei dem Jungen bedankte, drehte sich die Prinzipalin um und rief ihren Sohn mit scharfen Worten zu sich. Hiltrud sah ihn zusammenzucken und eilig nach vorne laufen, so als wäre er bei etwas Verbotenem erwischt worden.
    Hiltrud lächelte noch, als sie ihre Ziegen mit leichten Stupsern antrieb. Das Lachen verging ihr jedoch schnell, denn die Tiere konnten den Wagen unter dem zusätzlichen Gewicht nicht von der Stelle bringen. So musste Hiltrud einen Strick an die Deichsel binden und sich mit vor den Wagen spannen.
    »Das hast du von deinem weichen Herzen«, schalt sie sich selbst.
    »Jetzt darfst du dein eigenes Zugtier spielen, und das für ein Weibsstück, das wahrscheinlich noch in dieser Nacht sterbenwird. Wenn du Pech hast, darfst du sie eigenhändig beerdigen und dem Pfaffen ein paar Münzen in die Hand drücken, damit er einen Segen über ihrem Grab spricht.«
    Mit jedem Schritt, den sie zurücklegte, wurde ihre Laune schlechter. Es war eine schweißtreibende Angelegenheit, bei dieser Hitze den Wagen zu ziehen. Um auf andere Gedanken zu kommen, überlegte Hiltrud sich, was sie mit dem jungen Ding anstellen konnte, wenn es am Leben bleiben sollte.
    »Ich könnte schon eine Magd gebrauchen, die mir beim Aufbau des Zeltes hilft und für mich kocht. Außerdem ist sie ein hübscher Bissen, der die Freier anlocken wird. Wenn sie dann selbst wieder arbeiten kann, werde ich den Kerlen ordentlich Geld aus dem Beutel ziehen.«
    Das Überleben des Mädchens war nun Hiltruds größte Sorge. Als sie an einem Bach vorbeikam, hielt sie kurz an und tränkte ein Stück Stoff im Wasser, um die aufgesprungenen Lippen der Bewusstlosen zu benetzen.
    Auf der letzten Wegstrecke vor Merzlingen schritten die Gaukler schneller aus und ließen Hiltrud weit hinter sich zurück. Da die Dächer der Stadt schon in Sicht kamen, störte Hiltrud das nicht, denn hier lief sie nicht mehr Gefahr, am hellen Tag vergewaltigt, ausgeraubt oder gar ermordet zu werden. Da sie nicht besonders schnell vorankam, wurde sie jetzt öfters von Reisenden überholt, die ebenfalls zum Merzlinger Jahrmarkt unterwegs waren. Einige der Leute kannte sie von früher und wechselte einen kurzen Gruß mit ihnen. Die meisten streiften ihren Fund auf dem Wagen mit einem kurzen Blick, stellten aber keine Fragen. Nur Bodo, ein schmieriger Tonwarenhändler, hielt sein Zugtier an und betrachtete das Mädchen von allen Seiten.
    »Ein hübsches Kind, das du da aufgelesen hast, Hiltrud. Ist sie zu verkaufen?«
    Hiltrud zuckte mit den Schultern. »Erst muss ich die Kleine wieder aufpäppeln.«
    Der Mann leckte sich die Lippen. »Ja, tu das.«
    »Mach dir aber keine zu großen Hoffnungen. Wahrscheinlich werde ich die Kleine auf dem Schindanger von Merzlingen verscharren müssen. Ich glaube nicht, dass sie die kommende Nacht übersteht.«
    »Aber wenn sie wieder auf die Beine kommt, denkst du an mich, nicht wahr?« Der Tonwarenhändler kehrte zu seinem zweirädrigen Karren zurück und klatschte der Mähre, die davor gespannt war, die Zügel auf den mageren Rücken.
    »Ja, ja, mach ich!«, rief Hiltrud ihm nach. Das spöttische Lächeln um ihren Mund hätte ihm verraten können, dass sie es anders meinte, als er dachte.
    Sie wusste, warum er so scharf auf das Mädchen war. Einer hübschen Magd wie ihr würden die Leute die Teller und Töpfe weitaus lieber abkaufen als ihm. Darüber hinaus würde sie für ihn waschen und kochen und für seine übrigen Bedürfnisse sorgen müssen. Hiltrud hielt sehr viel von Sauberkeit und wusch sich, wenn es möglich war, jeden Tag. Den stinkenden Tonwarenhändler hätte sie selbst für den doppelten Lohn nicht mit in ihr Zelt genommen, und sie würde ihm erst recht kein Mädchen ausliefern, das

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