Die Wanderhure
sichtbar aus besseren Kreisen stammte. Sie war sich sicher, dass sie nicht auf diesen armseligen Händler angewiesen sein würde, sondern ein besseres Geschäft mit der Kleinen machen konnte.
Während sie noch überlegte, wie sie ihren Fund in klingende Münze umsetzen konnte, hatte sie die Festwiese erreicht. Dort standen schon etliche Zelte und Buden, andere wurden noch aufgebaut. Sie wollte sich gerade nach einem günstigen Platz am Rand des Marktes für ihr Zelt umsehen, als der Merzlinger Marktaufseher schon auf sie zusteuerte, um die Hurensteuer von ihr zu kassieren. Seinem Blick nach hatte er vor, später noch einen Nachschlag in Naturalien von ihr zu fordern. Sie drehte die Nase weg und hoffte, dass er sich vorher waschen würde.
Noch während er die Münzen zählte, die er ihr abgeknöpft hatte, deutete er auf Marie. »Was ist mit der?«
»Ich habe sie unterwegs gefunden und mitgenommen. Du wirst mir für sie kaum Steuern abnehmen können.« Hiltrud wollte sich abwenden, doch so leicht entkam sie dem Vertreter der städtischen Behörden nicht.
»Ihrem Kittel nach ist sie eine Hure. Also musst du zwei Pfennige für sie bezahlen.«
»Sie ist halb tot und kann ganz bestimmt nicht arbeiten.«
»Das interessiert mich nicht. Zahl für sie oder verschwinde mit ihr.«
Hiltrud seufzte. »Komm morgen wieder. Wenn sie dann noch lebt, bekommst du das Geld.«
Der Marktaufseher lachte und streckte die Hand aus. Hiltrud wusste nicht, ob sie sich mehr über die Raffgier des Mannes oder über ihre eigene Weichherzigkeit ärgern sollte. Seufzend zog sie ihren Beutel heraus und suchte so lange, bis sie zwei Haller Pfennige fand, die sie dem Mann statt guter Regensburger geben konnte. Er akzeptierte die minderwertigen Münzen mit einem mürrischen Blick und zog ab, um von einem ankommenden Händler die Steuern zu kassieren und ihm seinen Platz anzuweisen. Hiltrud atmete auf, denn nun konnte sie sich ihren Lagerplatz selbst aussuchen.
Jossis Gaukler hatten ihre Zelte unter einigen hohen Bäumen errichtet, die ihnen Schatten spendeten. Nicht weit davon entdeckte Hiltrud ein freies Plätzchen. Sie zog ihren Wagen dorthin, spannte die Ziegen aus und leinte sie an zwei Pflöcken an, die sie mit einem Stein in die Erde trieb. Diesmal musste sie die Zähne zusammenbeißen und das bewusstlose Mädchen alleine abladen, denn von Jossis Jungen und den restlichen Gauklern ließ sich wohlweislich keiner in ihrer Nähe blicken. Dabei kippte ihr Karren um und verstreute ihren gesamten Besitz auf der Erde. Hiltrud fluchte vor sich hin, baute ihr Zelt jedoch mit gewohnterSchnelligkeit auf und räumte es ein. Zum Schluss schleifte sie das zerschundene Mädchen hinein und bettete es auf eine Decke. Als sie sich aufrichtete, begriff sie, dass sie sich mit dem Frauenzimmer eine Last an den Hals gehängt hatte, die sie nicht brauchen konnte. In der Zeit, in der sie sich um die halb tote Frau gekümmert hatte, hätte sie schon etliche Münzen verdienen können. Sie warf einen Blick auf die Männer, die sich in Scharen draußen herumtrieben und vorgaben, sich für die Stände und Warenbündel der Kaufleute und die Gaukler zu interessieren, die hie und da schon kleine Kostproben ihrer Kunst gaben. In Wahrheit beäugten die meisten von ihnen die Huren und verschwanden nach kurzen Verhandlungen mit ihnen in ihren Zelten oder im Gebüsch unten am Fluss. Als ein Kunde auf Hiltrud zukam und sie ansprach, blieb ihr nichts anderes übrig, als unwillig den Kopf zu schütteln. Er spie einen Fluch aus und wurde kurz danach mit einer Frau aus Jossis Gauklertruppe handelseinig.
Hiltrud stemmte die Hände in die Hüften und sah auf das immer noch bewusstlose Mädchen hinab. »Weißt du überhaupt, was du mir für Probleme bereitest? Deinetwegen muss ich mir die besten Geschäfte entgehen lassen. Also bleibe gefälligst am Leben, denn ich will jeden Pfennig von dir zurück!«
Sie nahm ihren Kessel und verließ das Zelt, um Wasser zu holen. Unten am Fluss schrubbte sie das Gefäß gründlich mit Sand aus, bevor sie frisches Wasser schöpfte. Dann suchte sie trockenes Moos, Gras und dürre Zweige zusammen, stellte ihren Dreifuß vor dem Zelt auf und entfachte ein Feuer darunter. Während das Wasser im Kessel zu dampfen begann, schnitt sie den zerfetzten Kittel vom Körper des Mädchens und ließ nur die Teile in Ruhe, die fest auf den Wunden klebten. Als das Wasser gekocht hatte, tauchte sie einen Lappen hinein und begann die restlichen Stofffetzen
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