Die Wanderhure
vorsichtig aufzuweichen und abzulösen.
Während Hiltrud sich auf ihr Samariterwerk konzentrierte, betrat ein schmächtiger kleiner Mann mittleren Alters denAnger und sah sich suchend um. Er trug eine saubere graue Hose, ein braunes Wams und Lederschuhe mit Kupferschnallen. Eine Hure, die zum ersten Mal den Merzlinger Markt besuchte, ging hüftschwingend auf ihn zu, eine andere rief sie jedoch lachend zurück.
»Bei dem plusterst du dich umsonst auf, Lala. Der Apotheker hält nach einer speziellen Freundin Ausschau.« Sie legte die Hände trichterförmig an den Mund. »He, Herr Krautwurz! Hiltruds Zelt ist dort drüben unter den Bäumen, wo sich Jossis Leute breit gemacht haben.«
Der Angesprochene nickte dankbar, und als die Hure die Geste des Geldzählens machte, griff er in seinen Beutel und warf ihr eine Münze zu. Sie fing sie geschickt auf und lachte.
»Ich wünsche Euch viel Vergnügen. Aber denkt an mich, wenn Ihr einmal Abwechslung sucht.«
Peter Krautwurz achtete schon nicht mehr auf sie, sondern eilte zu Hiltruds Zelt. Er fand den Eingang hochgeschlagen und wollte eintreten, als er sah, dass Hiltrud beschäftigt war. Zunächst glaubte er, es wäre ihm ein Kunde zuvorgekommen, und wollte sich abwenden. Dann bemerkte er den zerschlagenen Frauenkörper.
»Hallo, Hiltrud. Was hast du denn da aufgelesen?«
Hiltrud drehte sich unwillig um, doch ihr Gesicht hellte sich auf, als sie ihren Besucher erkannte. Der Apotheker war ein Stammkunde, der sie jedes Mal aufsuchte, wenn sie hier zum Markt kam. Sie mochte ihn recht gern, denn er zahlte gut und war darüber hinaus ein zärtlicher Liebhaber, der sie besser behandelte als die meisten Männer. Für einen Augenblick hatte sie Angst, sie würde ihn als Kunden verlieren, wenn sie ihn jetzt abwies.
Krautwurz forderte sie weder zu etwas auf, noch wandte er sich beleidigt ab, sondern kniete neben ihr nieder und sah sich das Mädchen an. Hiltrud nahm erfreut wahr, dass sein Blick gleichgültig über den ausgesprochen wohlgeformten Hintern der Kleinenhinwegglitt. Er hatte nur Augen für das blutige Geflecht aufgeplatzter Striemen auf ihrem Rücken, und in seiner Miene spiegelte sich eine Mischung aus tiefem Mitleid, Empörung und einem gewissen beruflichen Interesse.
Hiltrud verzog ihr Gesicht in komischer Verzweiflung. »Ich habe die Kleine neben der Straße gefunden. Es schien mir nicht recht, sie hilflos liegen zu lassen. Doch jetzt weiß ich nicht weiter. Wenn sie nicht richtibgehandelt wird, stirbt sie mir unter den Händen weg, und ich bekomme dann Ärger mit dem Marktaufseher.«
Sie löste seufzend den letzten Rest des blutigen Stoffes von Maries Rücken und griff dann nach einem Salbentopf. Zu ihrem Leidwesen war dieser jedoch fast leer. Bevor sie die Reste auf Maries Rücken verteilen konnte, fiel der Apotheker ihr in den Arm.
»Da muss etwas anderes aufgetragen werden. Warte, ich hole frische Salbe und Verbände von zu Hause und auch etwas gegen das hohe Fieber.«
Hiltrud atmete sichtlich auf. »Danke für deine Hilfe, Peter. Mit dieser Sache habe ich mich übernommen.«
Der Apotheker lächelte ihr aufmunternd zu. »Ich bin gleich wieder da. Kannst du inzwischen ein wenig Fleischbrühe kochen? Die werden wir mit meinen Kräutern vermischen und ihr einflößen.«
Hiltrud sah zweifelnd auf Marie hinab. »Sie ist nicht ansprechbar, und ich glaube nicht, dass wir sie dazu bringen können, etwas zu sich zu nehmen.«
»Nur keine Sorge. Ich weiß Kranke zu behandeln.« Der Apotheker lächelte ihr beruhigend zu und eilte mit langen Schritten davon. Als er zurückkehrte, trug er einen Korb bei sich, in dem sich unter anderem ein voller Salbentopf, eine Schüssel mit klein gehackten Kräutern und eine Flasche befanden, die er wie eine zerbrechliche Kostbarkeit behandelte.
»Ich habe diese Essenz aus verschiedenen Heilpflanzen destilliert.Sie reinigt die Wunden und fördert den Heilprozess«, erklärte er Hiltrud, während er die Flasche öffnete und ein sauberes Tuch mit der scharf riechenden Flüssigkeit tränkte. Dann kniete er nieder und reinigte damit die Hundebisse und die blutigen Striemen.
Hiltrud musste sich abwenden, so biss ihr das Elixier in die Nase. Selbst die Bewusstlose wurde unruhig und stöhnte mehrmals auf.
Der Apotheker hob kurz den Kopf. »Das Zeug brennt im rohen Fleisch wie Feuer, doch es verhindert, dass sich die Striemen noch weiter entzünden. Wäre die Kleine nicht ohnmächtig, würde sie jetzt vor Schmerzen schreien.«
Hiltrud
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