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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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liegen kannst.«
    Marie hatte einen Kloß in der Kehle. Sie bedauerte es, Hiltrud so viele Umstände zu bereiten, schämte sich aber gleichzeitig, Brot zu essen, das durch Unzucht und Hurerei verdient worden war. Ihrem Magen war das jedoch egal, denn er schrie nach mehr. Marie biss die Zähne zusammen und bat Hiltrud um einen weiteren Becher Milch.
    Die große Frau verließ das Zelt und kam bald darauf mit einem halb vollen Becher zurück. »Mehr Milch wollen die Ziegen nicht hergeben. Du kannst dir aber noch Wasser aus dem Kessel schöpfen. Es stammt von der Quelle drüben.«
    »Ich wollte dir nicht die ganze Milch wegtrinken«, flüsterte Marie betroffen. »Ich danke auch schön.«
    »Ist schon gut. Ich kann dich ja nicht darben lassen, denn sonst wirst du nicht schnell genug gesund.«
    Hiltrud stand auf und befestigte den Zeltvorhang an einer Querstange. »Ich muss sehen, ob ein Mann vorbeikommt, bei dem es sich lohnt, ihn anzusprechen.«
    Marie starrte sie an. »Wieso machst du das eigentlich? Eine so kräftige Frau wie du müsste doch auch eine andere Arbeit bekommen.«
    Hiltrud schüttelte nachsichtig den Kopf. »Keine Hausfrau würde eine Hure als Magd einstellen, schon aus Angst um die Moral ihres Mannes und ihrer Söhne.«
    »Wieso bist du überhaupt zu einer Hübschlerin geworden?« Marie verwendete diesen verharmlosenden Ausdruck, weil sie das schmutzige Wort nicht über die Lippen brachte.
    »Mein Vater hat mich mit dreizehn an einen Hurenwirt verkauft«, antwortete Hiltrud ohne besondere Bitterkeit. »Ich habe beinahe zehn Jahre in seinem Bordell gearbeitet, bis ich endlich so viel gespart hatte, dass ich mich freikaufen konnte. Jetzt bin ich zwar eine Wanderhure ohne Heimat, aber wenigstens mein eigener Herr.«
    Marie traten die Tränen in die Augen. »Das tut mir Leid.«
    »Warum? Du kannst ja nichts dafür.« Hiltrud sah mehrere Männer in städtischer Kleidung näher kommen und räumte rasch die Becher weg. »Jetzt musst du doch wieder nach draußen. Die Kerle sehen aus, als könne man mit ihnen ins Geschäft kommen.« Ohne auf Maries Antwort zu warten, stand sie auf und schritt hüftschwingend auf die Männer zu.
    Marie zog sich an einer Zeltstange hoch und taumelte hinaus. Als sie sich bückte, um die liegen gebliebene Decke aufzuheben, drehte sich alles um sie. Doch sie wollte möglichst weit weg von dem Zelt und den Geräuschen darin. Sie hielt sich an einem Baum fest und ging dann langsam auf eine der Weiden am Ufer zu, die am weitesten weg von den Zelten stand. Als sie zurückblickte,sah sie, dass Hiltrud mit einem der Männer handelseinig geworden war, und bat die Jungfrau Maria, ihren Vater bald zu ihr zu führen und sie aus diesem Albtraum zu erlösen. Aber auch heute schenkten ihr Gebete keinen Trost.

IV.
    A ls der Abend kam und der Wein, der auf dem Jahrmarkt ausgeschenkt wurde, die Herzen der Männer mit mehr Mut erfüllte, hatte Hiltrud viel zu tun. Sie bedauerte es, dass Marie nicht mitarbeiten konnte. Zusammen hätten sie ein gutes Geschäft machen können, denn nicht wenige ihrer Kunden fragten sie nach dem Mädchen. Die Nachricht, dass sie Marie im Schandkleid auf der Straße aufgelesen hatte, war schon bis in die Stadt gedrungen und hatte die Phantasien etlicher Männer entzündet. Um endlich Ruhe vor allzu aufdringlichen Freiern zu haben, erklärte Hiltrud lautstark, dass Marie wegen ihres zerschlagenen Rückens noch nicht arbeiten könne. Die meisten gaben sich damit zufrieden, ein Freier blieb jedoch hartnäckig und erklärte ihr, dass es ja auch noch andere Möglichkeiten gab, mit einer Frau zu schlafen, als sie auf den Rücken zu legen.
    Hiltrud schüttelte energisch den Kopf. »Aber keine, die der heiligen Kirche gefällt.«
    »Vielleicht bist du bereit, mir diesen Gefallen zu erfüllen. Komm, reck mir dein hübsches Hinterteil entgegen.« Der Mann blickte Hiltrud an wie ein junger Hund, der um Futter bettelte, und legte die Hände zusammen.
    Sie merkte, dass sie weich wurde, und seufzte. »Es ist aber nicht billig.«
    Statt einer Antwort schob der Mann ihr mehrere Münzen hin. Im Schein der tief stehenden Sonne sah Hiltrud es golden aufblitzen. So viel hatte ihr noch niemand für ein paar zweisame Minutenim Zelt angeboten. Vielleicht bringt Marie mir Glück, dachte sie, während sie sich bückte und ihren Rock hob.
    Marie saß wieder draußen neben dem Wagen, wie Hiltrud es von ihr verlangt hatte, weil sie dort sicherer war als unter einem einsamen Baum. Lustlos und ohne

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