Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
vor allem jene Männer anzusprechen, die die körperliche Liebe als Akt der Unterwerfung genossen. Marie tat die junge Frau Leid, und sie verwünschte die Menschen, die ein halbes Kind zu diesem erbärmlichen Dasein verurteilt hatten.
    Als Utz sichtlich zufrieden zurückkehrte und sich an seinen Platz setzte, kroch Marie wieder auf den Frachtwagen zu und versteckte sich hinter einem Rad, um zu lauschen. Sie musste unbedingt wissen, was nach ihrem Verschwinden in Konstanz geschehenwar, aber sie wollte auf keinen Fall von diesem Teufel gesehen werden. Wenn er sie entdeckte, würde er sämtliche Fuhrknechte auf sie hetzen, dessen war sie sich sicher. Aus diesem Grund verwarf sie auch ihre erste Idee, sich einem der Konstanzer Fuhrknechte als Hure anzudienen und ihn dabei auszufragen.
    Zum einen war sie nicht bereit, sich zu verkaufen, besonders jetzt nicht, wo ihre Rettung vielleicht schon ganz nahe war, und zum anderen hätte sie in den Schein der Feuer treten müssen, um jemanden auf sich aufmerksam zu machen. Die Anwesenheit des Mannes, der sie verleumdet und geschändet hatte, hinderte sie nun daran, sich jemandem anzuvertrauen, denn alles, was sie vorbringen mochte, würde er ins Gegenteil verdrehen und sich an ihrem Unglück weiden. Also musste sie sich mit dem zufrieden geben, was sie erlauschen konnte.
    Zu ihrem Leidwesen unterhielten sich die Fuhrleute jedoch nur über ihre alltäglichen Sorgen und über Neuigkeiten, die sie unterwegs aufgeschnappt hatten. So kam die Sprache bald auf die hohe Politik, und ein Mann berichtete lang und breit von einem Konzil, das der in Rom residierende Papst Gregor einberufen wollte, ohne die Zustimmung des Kaisers dazu erhalten zu haben. Die anderen diskutierten nun lebhaft die Tatsache, dass die drei Päpste einander mit Kirchenbann belegten und sogar ihre Anhänger mit Söldnerarmeen gegen die Gefolgsleute der anderen schickten, um deren Position zu schwächen, ohne Rücksicht darauf, dass sie die Gläubigen damit in heillose Verwirrung stürzten. Marie interessierte das Thema herzlich wenig, und sie befürchtete, dass sie hier nichts über ihren Vater erfahren würde. Sie wollte schon ihren Platz verlassen, um sich einen halbwegs sicheren Schlafplatz für die Nacht zu suchen, da kehrte der wohlhabende Mann zurück, der mit Hiltrud gegangen war, setzte sich zu den Konstanzer Fuhrleuten und trank mit ihnen auf den Erfolg ihrer Handelsfahrt. Marie hielt ihn wegen seiner Kleidungfür einen Kaufmann, dem ein Teil des aus Stuttgart kommenden Handelszugs gehörte, und hoffte, er würde dem Gespräch eine andere Wendung geben. Der Mann beteiligte sich zunächst an der Diskussion über die drei Päpste und welche beiden man davonjagen sollte. Irgendwann aber schien er das Interesse an dem Thema zu verlieren und wandte sich an Utz, der der Anführer des anderen Wagenzugs war.
    »Ihr kommt doch direkt aus Konstanz. Dann kennst du sicher den Kaufherrn Matthis Schärer, nicht wahr?«
    Utz brummte etwas in seinen ungepflegten Bart und nickte widerwillig.
    Dem Kaufherrn schien Utz’ ablehnende Haltung nicht aufzufallen, denn er lächelte erleichtert. »Matthis Schärer hat mehrere Wagenladungen flandrischen Tuchs bei mir bestellt und wollte mir einen Teil des Geldes schicken, sobald die Ware bei mir eingetroffen ist. Jetzt habe ich ihm schon zweimal Nachricht geschickt, aber keine Antwort darauf erhalten. Kannst du mir sagen …«
    »Auf den Mann braucht Ihr nicht mehr zu zählen, Herr«, warf einer der anderen Knechte lachend ein. »Mit Meister Matthis’ Geschäften ist es aus, seit seine einzige Tochter wegen Hurerei und anderer Untaten aus der Stadt gejagt worden ist. Schärer hat sich das so zu Herzen genommen, dass er seinen ganzen Besitz verkauft hat und fortgezogen ist. Wie es heißt, soll er über den Bodensee gefahren sein, um sich einem Pilgerzug nach Rom oder gar ins Heilige Land anzuschließen.«
    Ein anderer Fuhrknecht winkte verächtlich ab. »Was du da erzählst! Das ist doch bloß ein Märchen, das wohlmeinende Leute in Umlauf gebracht haben. Soviel ich weiß, hat Schärer sich noch am gleichen Tag, an dem seine Tochter verurteilt wurde, in den See gestürzt und ist darin ersoffen.«
    Ein älterer Fuhrknecht wiegte zweifelnd den Kopf. »Ich weiß nicht, was ich von all diesem Gerede halten soll. Einige sagenauch, Schärer hätte seinen Besitz an seinen Beinaheschwiegersohn verkauft und sich auf die Suche nach seiner Tochter gemacht.«
    Marie wollte schon erleichtert

Weitere Kostenlose Bücher