Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
fürchte mich eher vor einem Gewitter. An einem Tag wie heute kann es einen Hagelschlag mitbringen, der uns die Köpfe einschlägt.«
    Auch Hiltrud machte sich Sorgen. »Wenn es hagelt, habe ich eher Angst um meine Ziegen als um mich. Bei Regen kann ich sie notfalls zu mir ins Zelt nehmen, auch wenn es zurzeit etwas eng darin zugeht.«
    »Malt den Teufel doch nicht an die Wand, sonst kommt er wirklich«, spottete Berta.
    Fita, die gerade ihr Bündel schnürte, sah kurz auf. »Ich habe keine Lust, nass zu werden.«
    »Das wollen wir alle nicht.« Hiltrud spannte mit Maries Hilfe die Ziegen vor den Wagen und steckte ihr Beil so unter eine Decke, dass sie es leicht herausziehen konnte. Fita prüfte, wie gut siean ihren Dolch kam, den sie unter ihrem Kleid trug, und Berta band ihr Haumesser mit einem Strick an die Hüfte. Da Gerlind ihren Stock besaß, war Marie als Einzige unbewaffnet. Sie sah sich suchend um und hob einen Ast auf, den sie ebenso gut als Knüppel wie als Wanderstab benutzen konnte.
    Die drei neuen Gefährtinnen trugen ihr gesamtes Eigentum in großen Packen auf dem Rücken, während Hiltrud und Marie wegen der beiden Ziegen unbelastet gehen konnten. Da sie diesmal nicht mit rasch fahrenden Ochsenkarren Schritt halten mussten, brauchte Hiltrud sich nicht selbst vor den Wagen zu spannen. Von Zeit zu Zeit musste sie ihre Tiere sogar ein wenig zügeln, damit die neuen Reisegefährtinnen ihnen folgen konnten.
    Der Weg führte zunächst durch einen unberührt wirkenden Wald aus uralten Eichen und Buchen, die versteinerten Riesen glichen. Die dicht stehenden Bäume waren ein Segen, denn ihr Schatten schützte die Frauen vor den sengenden Strahlen der Sonne. Trotzdem rann Gerlind, Berta und Fita der Schweiß in Strömen über die Gesichter.
    Marie erinnerte sich an die letzten Tage, an denen sie sich die Füße wund gelaufen hatte, um mit Hiltrud und ihren Ziegen mitzuhalten. Heute kann es ihr vor, als machten sie einen gemütlichen Spaziergang, bei dem nur ihr knurrender Magen störte. Als die Sonne höher stieg und ungehindert auf die Straße herabbrannte, spürte auch sie die Hitze. Es war, wie Berta behauptete, ein Wetter, bei dem kein Räuber aus seiner dunklen Höhle herauskommen, geschweige denn versuchen würde, fünf einsam wandernden Frauen Gewalt anzutun. Die anderen lachten über diesen Witz, doch Marie sah sich unwillkürlich um, ob ihnen nicht doch jemand auflauerte. Um sie herum gab es jedoch nur das Rauschen des Waldes und das Meckern der Ziegen, die lautstark nach Wasser riefen.
    Gegen Mittag wurde der Himmel im Westen so grau wie Blei.Gerlind blickte immer wieder besorgt nach oben, und als sie eine gute Stunde später eine windschiefe Hütte entdeckten, wie die Schweinehirten sie zum Übernachten im Wald benutzten, schlug sie vor, dort Unterschlupf zu suchen, bis das Gewitter vorübergezogen war.
    Berta deutete auf die Umzäunung hinter der Kate, in der es bis zur Straße nach Schweinekot stank. »Nein, danke, wir sollten weitergehen. Es ist nicht mehr sehr weit bis zur nächsten Herberge.«
    Marie wunderte sich, warum ausgerechnet Berta so zimperlich reagierte, Gerlind aber schnaubte verärgert und stieß den Schaft ihres Stocks in die Erde. »Da bekommen wir bestimmt kein Dach über dem Kopf. Du kennst den Wirt doch. Der nimmt den Gästen noch Geld für die offenen Unterstände ab, in denen sie auf faulem, flohverseuchtem Stroh schlafen müssen. Uns wird er nicht einmal im Windschatten der Frachtwägen dulden. Nein, Berta, ich weiß, was du im Sinn hast. Du willst nur deshalb so früh dort ankommen, um möglichst viele Fuhrknechte bedienen zu können.«
    Marie kicherte wider Willen. Bertas wütendem Blick nach ging es ihr wirklich nur darum, so viele Freier wie möglich zu bekommen. Fita hingegen schien froh zu sein, noch eine Weile ihre Ruhe zu haben.
    Trotz ihres Alters hatte die Hütte noch ein festes Dach aus gespaltenem Stangenholz, das mit einer dicken Lage Binsen gedeckt war. Drinnen lag ein Haufen halb verfaulten Laubes und einiger anderer Dreck, den der Wind durch die schief in rissigen Lederangeln hängende Tür geweht hatte, und in einer Ecke stank es nach Tierkot. Fita schnitt einen Ast zu einer primitiven Forke zurecht und fegte den Schmutz hinaus. Hiltrud und Marie trugen Gras und Birkenzweige für ein Lager herein, so dass sie es sich gemütlich machen und das Unwetter abwarten konnten. Zuletzt führten sie noch die beiden Ziegen hinein und deckten denWagen mit einer Schicht

Weitere Kostenlose Bücher