Die Wanderhure
sich.
Hiltrud schüttelte verwundert den Kopf. »Vielleicht will er Trosshuren anwerben.«
»Dafür ist es jetzt schon zu spät, es sei denn, sein Herr hat einen Winterfeldzug im Sinn.«
»Gleich werden wir es wissen, denn ich glaube, er kommt jetzt auf uns zu.«
Hiltrud stand auf, wie sie es immer tat, wenn ein möglicher Freier auf ihr Zelt zukam. Marie blieb sitzen und drehte dem Mann nach einem Blick auf das bärbeißige Gesicht die Schulter zu. Man konnte es einem Kunden in der Regel ansehen, ob er sich auf einige angenehme Augenblicke in den Armen einer Hure freute. Der Mann war mit Sicherheit kein Freier. Er blieb mehrere Schritte vor ihnen stehen und betrachtete sie mit grimmiger Miene.
»Ihr seid Hübschlerinnen?« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
»Sag schon Hure, wenn dir das Wort auf der Zunge liegt«, schnappte Marie.
Der Mann brummte wie ein missgelaunter Bär. »Ist doch miregal, wie ihr Weiber euch nennt. Ich suche eine angenehme und vor allem saubere Bettgefährtin für meinen Herrn.«
»Wenn er eine von uns haben will, soll er gefälligst selbst kommen.« Marie hasste es, abgeschätzt zu werden wie eine trächtige Ziege.
»Das ist nicht möglich, denn Ritter Dietmar weilt auf Burg Arnstein bei Tettnang«, erklärte der Mann. »Ich bin Giso, sein Burgvogt, und habe den Auftrag, eine brauchbare Hure zu finden, die ihm in den nächsten Monaten das Bett wärmt, denn er muss das Lager seiner schwangeren Gemahlin für eine Zeit lang meiden.«
Marie lachte ungläubig auf. »Dann muss dein Herr aber eine großzügige Gattin sein Eigen nennen, oder hat die Dame daheim nichts zu melden?«
»Das geht dich gar nichts an«, blaffte der Vogt sie an. »Ich habe den Auftrag, eine brauchbare Hure zu finden. Dein Mundwerk scheint mir jedoch ein wenig zu scharf zu sein.«
»Normalerweise schätzt man bei einer Hure einen anderen Körperteil als den Mund. Es sei denn, dein Herr hält es mit den Geboten der heiligen Kirche nicht so genau.« Marie hatte wenig Lust, monatelang auf einer zugigen Burg eingeschlossen zu sein, um zuerst dem Burgherrn zu dienen und dann an dessen Gefolgsleute abgeschoben zu werden.
Hiltrud war neugierig geworden. »Was springt denn dabei heraus?«
»Die Hure, die wir auswählen, wird uns mit einem vollen Beutel verlassen«, antwortete der Mann großspurig.
Marie zuckte mit den Schultern. »Voller Haller Pfennige? Das würde uns nicht reichen.«
Giso verzog sein Gesicht, als hätte er in einen faulen Apfel gebissen. »Es wurde mir keine bestimmte Summe genannt. Die Hure, die unseren Ansprüchen genügt, wird es auf alle Fälle nicht bedauern.«
»Schön für sie. Dann wünsche ich dir viel Glück bei der Auswahl. Da drüben sind ja genug zu finden.« Marie deutete auf Berta und einige andere Frauen, die eifrig miteinander diskutierten und dabei immer wieder zu ihnen herüberblickten. Trotz der Entfernung war zu erkennen, dass Bertas Gesicht sich vor Neid und Missgunst verzerrte.
Giso kümmerte sich weder um die Blicke in seinem Rücken noch um Maries Sticheleien. »Ich wünsche euch alle in einer Stunde im Zelt meiner He…, in meinem Zelt zu sehen. Es steht etwas abseits von den anderen. Ihr könnt es nicht verfehlen, denn das Wappen meines Herrn, ein auffliegender Falke, weht darüber.«
»Ich verzichte schon im Voraus, da mein Mundwerk, wie du es nanntest, zu scharf für deinen Herrn ist.« Marie wollte sich abwenden, doch der Mann ließ nicht locker.
»Ich habe den Befehl, alle Huren auf dem Markt zur Musterung zusammenzurufen und untersuchen lassen.«
Marie bleckte die Zähne. »Wenn wir in dein Zelt kommen, verlieren wir Zeit, in der wir Geld verdienen könnten.«
Giso ballte eine Faust, stützte die Hand dann aber locker in die Hüfte, so als wolle er sich nicht provozieren lassen. »Alle Huren werden für ihren Aufwand entschädigt.« Damit wandte er sich grußlos ab und stiefelte davon.
Marie tippte sich an den Kopf. »Was für ein komischer Kerl! Der tut ja gerade so, als wären wir Hühner, unter denen er das fetteste zum Schlachten auswählen soll.«
Hiltrud lachte über den Vergleich, deutete dann aber auf die immer noch leeren Gassen zwischen den Marktständen. »Wenn wir Geld dafür bekommen, dass wir uns dort zur Schau stellen, sollten wir hingehen. Selbst in einer Stunde werden noch keine brauchbaren Freier auf den Anger kommen. Die Einzigen, die etwas versäumen, werden Berta und ihre Freundinnen sein. Du siehst ja, dass schon die ersten
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