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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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es gewöhnt waren, im Freien zu schlafen, sich in ihre Decken hüllten und unter einem Baum niederlegten. Die Soldaten machten ebenfalls kein Aufhebens um ihr Lager, sondern wickelten sich in ihre Mäntel und schliefen ein, bevor sie sich richtig hingelegt hatten. Die beiden Mägde zitterten jedoch vor Angst und Kälte und jammerten bald zum Steinerweichen. Auf Befehl ihrer Herrin reichte Guda ihnen zwei Kissen und zwei Decken und befahl ihnen, unter den Wagen zu kriechen. Sie beruhigten sich aber erst, als sie Giso, der immer noch vor Wut schäumte und deswegen die erste Wache übernommen hatte, wie einen Hütehund das Lager umkreisen sahen.
    In der Morgendämmerung des nächsten Tages ging es ohne Frühstück weiter, nur mit der Aussicht auf ein reichlich bemessenes Mahl auf Burg Arnstein. Die Sonne stand schon auf ihrem höchsten Punkt, als sich der Buchenwald lichtete und sich ein lang gestrecktes Tal mit Feldern und Wiesen vor ihnen öffnete. Ein Stück weiter kamen sie an einem kleinen Dorf vorbei, das völlig verlassen wirkte.
    Mechthild von Arnstein wurde nun sichtlich nervös und drängte zur Eile. Kurz darauf bog ihr Weg wieder auf die Hauptstraße ein, und sie sahen Burg Arnstein über sich liegen. Es war keine der großen Ganerbenburgen, die sonst die Höhen des Waldes beherrschten und mit ihren Anbauten und Erweiterungen kein besonders schönes Bild abgaben, sondern ein solider Wehrbau, der zum flacheren Hang hin durch eine hohe Schildmauer und zwei wuchtige Ecktürme gesichert wurde.
    Die Burg war auf einem Höhenzug errichtet worden, der wie ein Keil über das Tal ragte. Seine Flanken fielen zu beiden Seitenebenso steil ab wie die leicht gerundete Spitze. Oberhalb der Steilhänge war die Wehrmauer nur halb so hoch wie vorne, und die darin eingelassenen Türme erreichten ebenfalls nicht die Ausmaße der beiden Ecktürme an der Vorderseite. Marie hatte von den Mägden erfahren, dass die Burg zwei Zwinger besaß und der Hauptbau so gestaltet worden war, dass man ihn noch verteidigen konnte, wenn der Feind die erste Mauer bereits überrannt hatte. Auf Marie wirkte die Anlage wie ein bizarrer grauer Felsklotz, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass man sich dort oben wohl fühlen konnte.
    Als ein Wächter den Wagenzug der Herrin erspähte, blies er so laut ins Horn, dass es bis ins Tal hinabschallte. Auf den Zinnen des linken Wehrturms, der das Eingangstor bewachte, tauchten einige Leute auf und winkten den Ankömmlingen zu. Wenige Augenblicke später verließ ein Trupp Berittener die Burg und sprengte ihnen entgegen, allen voran ein Herr von Stand in leichter Wehr. Ohne sich um Giso oder die anderen zu kümmern, stürzte er auf den Reisewagen zu, riss den Vorhang zur Seite und steckte den Kopf hinein.
    »Gott sei Dank! Du bist gesund zu mir zurückgekehrt«, rief er voller Freude aus.
    Das war also der Ritter von Arnstein, dachte Marie. Nun, eine Reckengestalt besaß er wahrlich nicht. Er konnte höchstens zwei oder drei Fingerbreit größer sein als sie selbst, während Hiltrud ihn um fast einen Kopf überragen musste. Er schien sich um seine Frau gesorgt zu haben, und das machte ihn Marie sympathisch. Sie schob sich etwas näher, um sich nichts entgehen zu lassen. Ohne sich um seine ein wenig dümmlich lächelnden Dienstmannen zu kümmern, belegte der Ritter seine Frau mit fast kindlich klingenden Kosenamen und machte ihr lang und breit klar, welche Angst er um sie ausgestanden habe.
    »Es ist doch alles gut gegangen, Dietmar.« Sie lächelte und zog ihn an ihre Brust wie einen kleinen Jungen, wandte sich dannaber seinen Begleitern zu, die zumeist die Kleidung von Edelleuten trugen, und begrüßte die Männer huldvoll.
    Marie begriff, dass es sich bei den Herren um Freunde und Nachbarn des Arnsteiners handelte, die ebenfalls Probleme mit dem Grafen von Keilburg hatten und nach Arnstein gekommen waren, um ein gemeinsames Vorgehen zu besprechen. Marie zitterte vor Aufregung. Die Begegnung mit Mechthild von Arnstein schien ein Zeichen des Himmels zu sein, denn wenn sie Glück hatte, fand sie hier auf der Burg Verbündete, die ihr zu ihrer Rache an Ruppert und dessen Handlangern verhalfen.
    Die nächsten Worte der Burgherrin erinnerten sie jedoch an ihre Stellung und brachten sie auf den Boden der Tatsachen zurück.
    »Das ist Marie, die Hure, die ich für dich ausgesucht habe. Gefällt sie dir?«
    Dietmar von Arnstein warf Marie einen unwilligen Blick zu. »Wie kannst du in dieser Situation noch an so

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