Die Wanderhure
erwartungsvoll ansah, blieb er bei ihr stehen und erklärte ihr, auf welche Weise die Keilburger ihren eigenen Besitz auf Kosten ihrer Nachbarn zu vergrößern versuchten.
»Gottfried von Dreieichen haben sie ein Testament seines Onkels unter die Nase gehalten und ihm ein Drittel der Ganerbenburg und des dazugehörigen Besitzes abgefordert. Als er sich weigerte,besorgte Heinrich von Keilburg sich heimlich einen Fehdebrief und eroberte die Dreieichenburg, ehe Ritter Gottfried einen seiner Freunde zu Hilfe rufen konnte. Walter vom Felde brachten sie um sein Land, indem sie ihm eine gesiegelte und von Zeugen unterzeichnete Urkunde präsentierten, in der sein Vater seinen Besitz an den Keilburger verpfändet hatte. Walter schwor alle Eide, dass dies nicht möglich sein konnte, und versuchte, seine Burg mit Waffengewalt zu halten, doch er unterlag und wurde auf der Keilburg gefangen gesetzt. Sein Nachbar Bodo von Zenggen, der ihm beistand, verlor bei diesem Kampf neben seinem Besitz auch das Leben. Als seine Erben Heinrich von Keilburg zur Herausgabe der Burg Zenggen aufforderten, lachte er sie nur aus. Sie sind nicht die Einzigen, die unter dem Keilburger zu leiden haben, und wenn ihn niemand aufhält, wird der Kerl sich noch das halbe Herzogtum Schwaben unter den Nagel reißen. Gerade versucht er, meinen Herrn um das Erbe Ritter Otmars zu bringen. Doch Ritter Dietmar und vor allem die Herrin Mechthild lassen sich nicht so leicht die Butter vom Brot nehmen.«
Giso zwinkerte Marie zu, wurde dann aber sofort wieder ernst und schnaubte seine Männer an, die den Wagen der Herrin mit viel Hin- und Herschieben um die eigene Achse drehten. »Seid vorsichtig, ihr Narren, oder wollt ihr Frau Mechthild in den Fluss fahren?«
Die Gescholtenen konnten den Wagen, der sich bereits beträchtlich neigte und abzurutschen drohte, im letzten Moment auf den Weg zurückwuchten. Ein Soldat legte rasch einen großen Stein unter, um die Räder zu blockieren, und wischte sich dann mit einer heftigen Geste den Schweiß von der Stirn.
»Wenn wir den Kerlen dort diese Schmach nicht bald heimzahlen, werde ich noch an meiner Wut ersticken.«
»Nicht nur du«, antwortete Giso mit einer Geste, als wollte er die vierzig Reisigen auf der Brücke eigenhändig erwürgen. Er trauteden Kerlen nicht und fürchtete, dass sie auf die Idee kommen würden, sich seiner Herrin zu bemächtigen, um sie als Geisel gegen ihren Gemahl zu benutzen. Daher atmete er hörbar auf, als der letzte Wagen wieder angespannt war und sie endlich aufbrechen konnten.
Zunächst kamen sie gut voran. Nach einer knappen Stunde bog der Reisezug jedoch auf einen unbefestigten Weg ab, der von Gras und kleinen Büschen überwachsen war. Mehr als einmal mussten Soldaten Gestrüpp und über den Weg ragende Äste abhacken, damit die Wagen weiterfahren konnten. Nach einiger Zeit wich der Lehmboden einem zähen Morast, in den der nun führende Gepäckwagen immer tiefer einsank. Nicht lange, da blieben die Zugochsen erschöpft stehen und ließen sich auch von der Peitsche nicht mehr weitertreiben.
Giso beschloss, einen Teil der Kisten und Körbe auf den kleineren Karren umzuladen, so dass die vier Frauen zu Fuß gehen mussten. Während die beiden Mägde den Soldaten halfen, befestigten Hiltrud und Marie die Räder auf die Achsen des Ziegenwagens und spannten die Ziegen wieder an. Sie mussten den Tieren beim Ziehen helfen, doch das taten sie gern, denn sie waren froh, nach dem langen Sitzen auf dem unbequemen Karren die Glieder strecken zu können.
Kurz darauf trafen sie wieder auf den Fluss, der an dieser Stelle breiter war als dort, wo die Brücke sich über ihn spannte, aber nicht so schnell dahinströmte. Der Weg mündete in eine Furt, die frühere Reisende mit Steinen aufgefüllt hatten. Hier musste auch Mechthild von Arnstein aussteigen. Ein kräftiger Soldat trug sie über das Wasser, stellte sie vorsichtig drüben ab und blieb als Wächter mit gezogenem Schwert neben ihr stehen.
Als der Reisezug die Furt überwunden hatte, berührte die Sonne schon den westlichen Horizont. Männer und Tiere waren so erschöpft, dass die Wagenlenker kaum mehr die Kraft hatten, ihre Peitschen zu heben. So gab Giso missmutig den Befehl,zu lagern. Ihm war anzusehen, dass er den Keilburgern auch die Nacht unter freiem Himmel aufs Kerbholz zu schreiben gedachte.
Mechthild von Arnstein und die Beschließerin Guda machten es sich in ihrem gut gepolsterten Reisewagen bequem, während Marie und Hiltrud, die
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