Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
etwas denken? Jetzt geht es um den Tort, den der Keilburger uns angetan hat. Der und sein schleimiger Halbbruder haben dem alten Otmar wohl so lange zugesetzt, bis er nachgegeben und einen Vertrag zu Konrads Gunsten unterzeichnet hat. Das wird dem Keilburger diesmal jedoch nicht helfen.«
    Einer der Edelleute schob sich nach vorne. »Ihr solltet guten Mutes sein, Frau Mechthild. Euer Gemahl hat uns berichtet, dass er eine Abschrift des Erbvertrags vom Abt des Klosters von St. Ottilien hat gegenzeichnen lassen und dass er ihm das Dokument zur Aufbewahrung anvertraut hat. Einem Spruch Abt Adalwigs wird sich auch Graf Konrad nicht widersetzen können.«
    Marie fand es unklug, solche Dinge vor aller Ohren preiszugeben. Ruppert würde den Nachbarn seines Halbbruders gewiss nicht ehrlicher gegenübertreten als ihrem Vater und ihr. Die Herrin schien ähnlich zu denken, denn sie warf ihrem Gemahl einen verärgerten Blick zu und gab den Befehl weiterzufahren.
    Die Burg kam nun rasch näher. Der Weg schlängelte sich auf denlinken Turm zu, was Marie wunderte, da sich dort kein Tor befand. Es ging über eine klappernde Holzbrücke, die einen tief ausgehobenen Graben überspannte, dann bog die Straße scharf nach rechts und führte unterhalb einer Reihe drohend hervorspringender Pechnasen an der Mauer entlang, bis sie an ihrem anderen Ende abknickte und auf das Tor zuführte, das sich im zweiten Turm befand. Der Platz zwischen Mauer und Graben war so knapp bemessen, dass die Knechte Stangen zu Hilfe nehmen mussten, um den Gepäckwagen in das Torgewölbe hineinzuwuchten.
    Als Marie durch das Tor schritt, betrachtete sie das eiserne Fallgitter über sich mit leisem Grausen. Die Pechnasen, die darüber angebracht waren, schienen nur darauf zu warten, kochende Flüssigkeit auf unvorsichtige Angreifer vergießen zu dürfen. Da keine Tür vorhanden war, die in den Turm hineinführte, vermutete Marie, dass dieser nur über den Wehrgang und einen unterirdischen Gang zu erreichen war. Hinter dem Tor öffnete sich der vordere Zwinger, der rundum von der äußeren Burgmauer und einer fast ebenso starken inneren Trennmauer begrenzt wurde, und auch von hier aus gab es keinen Zugang zu den Wehrgängen. Der einzige Weg, der tiefer in die Burg führte, war ein weiteres, ebenfalls stark befestigtes Tor. In friedlichen Zeiten diente der vordere Zwinger als Viehweide, doch jetzt lagerten hier die Menschen und Tiere aus dem verlassenen Dorf.
    Der Burgherr berichtete seiner Frau, dass die Keilburger von Burg Mühringen aus, die sie Ritter Otmar abgenommen hatten, mehrfach das zu Arnstein gehörende Dorf bedroht hätten. Das und die Sperrung der Straße deuteten auf eine noch nicht erklärte Fehde hin. Eine seltsame Stimmung erfasste Marie. Sie befand sich mitten in Geschehnissen, die durch Ruppert mit ihrem eigenen Schicksal verknüpft waren, und fragte sich, wie sie die Situation zu ihren Gunsten ausnutzen konnte. Als rechtlose Hure würde sie bei den Edelleuten wohl kaum Unterstützung finden,aber niemand konnte ihr verwehren, Augen und Ohren offen zu halten. Vielleicht konnte sie das Vertrauen des Burgherrn erlangen, so dass sie ihm klar machen konnte, auf welch hinterlistige Art und Weise Magister Ruppertus die Leute betrog.
    Unterdessen hatte der Wagenzug den hinteren Zwinger erreicht, der nur ein Drittel so groß war wie der vordere und den aus Bruchsteinen errichtete Häuser und Stallungen säumten. Die Gebäude stießen mit ihren Rückseiten gegen die Burgmauern, die sich am Ende des zweiten Zwingers wie eine Wespentaille verengten. Dort stand ein weiterer, aus großen Steinquadern errichteter Torturm, der ebenso wie die anderen von Graben und Zugbrücke geschützt wurde. Die drei Wagen passierten auch dieses Tor und hielten schließlich in einem kleinen Hof zwischen den Hauptgebäuden der Burg. Mechthild von Arnstein ließ sich von ihrem Mann aus dem Wagen heben und wies die Knechte an, Gepäck und Einkäufe in ihre Gemächer zu bringen. Bevor sie den Wohnturm betrat, winkte sie Marie zu sich.
    »Guda wird dir und deiner Freundin einen Stall für eure Ziegen anweisen und euch dann in eure Kammer bringen. Ihr werdet neben meinen eigenen Gemächern wohnen, damit ich dich jederzeit rufen lassen kann.«
    Bevor Marie etwas antworten konnte, wandte die Dame sich grußlos ab und ging. Die Beschließerin war nicht erfreut von der zusätzlichen Aufgabe und scheuchte Marie und Hiltrud mit unfreundlichen Gesten wie Hühner vor sich her.

III.
    M arie

Weitere Kostenlose Bücher