Die Wanderhure
Machenschaften und die Frage, wie sie es anstellen konnte, Frau Mechthild und ihren Gemahl als Verbündete gegen ihn zu gewinnen.
Schließlich hielt Hiltrud die angespannte Stille nicht mehr aus. Sie sprang auf und ging zur Tür. »Ich sehe mal nach, ob wir etwas zu essen bekommen können. Schließlich gab es gestern Abend nur laue Luft und Wasser und heute Morgen auch nicht mehr.«
Gerade, als sie auf den Flur treten wollte, kamen ihr zwei Mägde entgegen, von denen jede ein Tablett trug. Das eine duftete schon von weitem nach warmem Brot und anderen Köstlichkeiten, auf dem zweiten standen ein Tonkrug und zwei Becher.
»Mit den besten Empfehlungen der Herrin«, rief die Kleinere fröhlich. »Frau Mechthild bedauert, dass ihr so lange habt warten müssen, doch sie hat sich zuerst um ihren Gemahl und seine hohen Gäste kümmern müssen.«
Hiltrud lief angesichts der dicken Scheiben geräucherten Schinkens, der prallen Würste und des großen Stückes Käse, die neben einem halben Laib Brot auf dem Tablett lagen, das Wasser im Mund zusammen, und als eine der Mägde die beiden Becher voll schenkte, riss sie ungläubig die Augen auf. »Das sieht ja aus wie Wein.«
Die ältere Magd nickte stolz. »Das ist Wein von den Weinbergen, die Frau Mechthild als Mitgift in die Ehe gebracht hat.«
Marie erinnerte sich an die Weinberge ihres Vaters nahe Meersburgund spürte, wie sich ihre Kehle zuzog. Sie schluckte die Tränen und schüttelte sich gleichzeitig vor Hass. Ihre Hände formten sich zu Klauen, die sich um einen unsichtbaren Hals legten. Um wie viel hatten Ruppert und seine Handlanger sie gebracht! Nur mit Mühe gelang es ihr, den Abschiedsgruß der beiden Mägde zu beantworten, und es dauerte trotz ihres nagenden Hungers eine Weile, bis sie den ersten Bissen über die Lippen brachte.
Hiltrud schenkte ihren Nöten keine Beachtung, sondern aß mit der Freude eines Kindes, dem man seine Lieblingsspeisen aufgetischt hat, und musste sich fast mit Gewalt dazu zwingen, etwas von dem Schinken für Marie übrig zu lassen.
»So gut habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gegessen. Sollte das den ganzen Winter über anhalten, werde ich im Frühjahr so fett sein wie Berta.« Als sie keine Antwort erhielt, stieß sie Marie mit dem Fuß an. »Sag doch auch was. Oder schmeckt es dir etwa nicht?«
Marie atmete tief durch, und ein versonnenes Lächeln glättete ihre Züge. »Ich glaube, wir dürfen bleiben. Es sei denn, Frau Mechthild will uns mit diesen Leckerbissen den Abschied versüßen.«
»Da hätte eine Schüssel Eintopf aus der Gesindeküche auch gereicht. Nein, ich bin sicher, dass man uns hier behalten wird. Wenn du klug bist und dem Herrn und der Herrin nicht mit deiner Geschichte auf die Nerven fällst, werden wir den angenehmsten Winter unseres Lebens verbringen.«
Marie hätte Hiltrud aufzählen können, wie viele schöne Winter sie in ihrer Kindheit und Jugend erlebt hatte, aber sie wollte ihrer Gefährtin nicht die Laune verderben. Dafür war sie viel zu gespannt auf das, was als Nächstes kommen würde, und starrte jedes Mal, wenn draußen Schritte aufklangen, unruhig auf die Tür. Aber es schien sich niemand für sie zu interessieren. Nach einer Weile kamen die beiden Mägde wieder herein und räumtenden Tisch ab. Da der Weinkrug fast leer war, brachten sie einen neuen herbei.
Hiltrud fragte die Mägde nach dem Abtritt und erfuhr, dass er sich gleich um die Ecke befand. Sie verließ das Zimmer, um sich zu erleichtern, und kehrte kurz darauf zufrieden zurück.
»So kann es von mir aus bis zum Frühjahr weitergehen.«
Marie zuckte mit den Schultern. »Ich muss dich daran erinnern, dass wir nicht nur zum Essen und Weintrinken hier sind.«
»Ich glaube kaum, dass Herr Dietmar dich heute noch rufen lassen wird. Er schien mir vorhin doch zu erzürnt, um an die Freuden des Lebens denken zu können.«
»Ich werde mich dennoch bereithalten.«
»Von mir aus. Ich gehe zu den Ställen, um nach den Ziegen zu sehen. Es wird Zeit, sie zu melken. Ob die Leute hier in der Burg Verwendung für Ziegenmilch haben?«
»Das weiß ich nicht. Notfalls musst du eben Käse daraus machen.«
»Der hält sich nicht bis zum Frühjahr. Ich werde die Mägde fragen, ob die Herrin Ziegenmilch mag. Sie soll für schwangere Frauen sehr gesund sein.«
Marie sah ihr nach, bis sich die Tür hinter ihr schloss, und seufzte dann auf. Obwohl sie ihre Gefährtin von Herzen mochte, störte sie ihre wortreich geäußerte Begeisterung. Sie
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